Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 31. Januar 2024 – 4 Sa 24/23 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Leitsatz
Eine arbeitsvertragliche dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge steht, wenn es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung handelt, unter der auflösenden Bedingung, dass ihre Dynamik endet, wenn die Voraussetzungen für die Annahme einer solchen Abrede entfallen. Diese tritt nicht nur bei Ende der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin ein, sondern ua. auch dann, wenn der Arbeitnehmer an einen Arbeitsort versetzt wird, der außerhalb des Geltungsbereichs des in Bezug genommenen Tarifvertrags liegt. In der Folge sind die in Bezug genommenen Tarifverträge ab diesem Zeitpunkt nur noch statisch, mit dem dann bestehenden Inhalt, anwendbar (Rn. 36 ff.).
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung eine Verdienstsicherung nach den tariflichen Regelungen für die Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden durchzuführen.
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Der Kläger, der keiner Gewerkschaft angehört, ist seit 1990 bei der Beklagten beschäftigt. Seine „Einstellungsnachricht“ vom 1. März 1990 enthält ua. folgende Regelung:
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„Für Ihr Arbeitsverhältnis gelten die gesetzlichen Vorschriften, die Tarifbestimmungen für Arbeiter der Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden sowie die Betriebsordnung und die Betriebsvereinbarungen unseres Unternehmens.“ |
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Die Beklagte, die sowohl Mitglied des Verbands der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. (Südwestmetall) als auch der PfalzMetall – Verband der Pfälzischen Metall- und Elektroindustrie e.V. (PfalzMetall) ist, unterhält mehrere Standorte, ua. in L in Baden-Württemberg und S in Rheinland-Pfalz.
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Der Kläger war zunächst in L tätig und erhielt dort zuletzt eine Vergütung nach Entgeltgruppe 3 des zwischen Südwestmetall und der IG Metall geschlossenen Entgeltrahmen-Tarifvertrags für das Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden vom 16. September 2003 (ERA-TV NW/NB). Mit Schreiben vom 30. Januar 2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe die „Anspruchsvoraussetzungen für die von den Tarifparteien vereinbarte Alterssicherung erfüllt“. Sie berechnete einen Alterssicherungsbetrag iHv. 4.044,57 Euro und verwies hinsichtlich der Einzelheiten auf „§ 6 MTV“.
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Die Beklagte legte die Produktion am Standort L nach Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans stufenweise bis zum 31. Dezember 2022 still. Mit Schreiben vom 26. März 2021 wies sie dem Kläger ab dem 1. Oktober 2021 eine Tätigkeit in S zu. Das Schreiben hat ua. folgenden Wortlaut:
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„… |
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in dem mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag haben wir uns das Recht vorbehalten, Sie bei dringenden betrieblichen Erfordernissen zu versetzen bzw. Ihnen eine andere Tätigkeit zuzuweisen. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2021 ändern sich für Sie Ihre Arbeitsbedingungen wie folgt: |
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Arbeitsort: |
S |
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Position: |
Montagearbeiter |
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Eingruppierung: |
E02 gemäß ERA-TV für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz |
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Arbeitszeit: |
35h / Woche (2-Schicht) |
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Auf Ihre tarifvertraglich zugesicherte und entgeltgruppenbezogene Grundvergütung hat der Wechsel an den zuvor genannten Standort keine Auswirkung. Für die bisher gewährten außertariflichen Zulagen (bspw. Akkordzuschläge) gelten die betrieblichen Regelungen des aufnehmenden Betriebs. |
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Im Übrigen verbleibt es bei den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen. |
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Für den Fall, dass Sie der Versetzung widersprechen, kündigen wir vorsorglich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist entsprechend der maßgeblichen Kündigungsfrist zum 30. September 2021, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist zum 30. September 2021, hilfsweise zum nächstzulässigen Zeitpunkt. |
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…“ |
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Der Kläger widersprach der Versetzung nicht und ist seit dem 1. Oktober 2021 in S tätig. Seit diesem Zeitpunkt vergütet die Beklagte ihn nach Entgeltgruppe 2 des zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Rheinhessen e.V., PfalzMetall und der IG Metall geschlossenen Entgeltrahmenabkommens für die Metall- und Elektroindustrie in Rheinland-Pfalz vom 6. Juli 2004 (ERA RP). Darüber hinaus erhält der Kläger eine als „Ausgleich Wahloption“ bezeichnete monatliche Zahlung in Höhe der Vergütungsdifferenz zwischen den Tabellenentgelten der Entgeltgruppe 3 ERA-TV NW/NB und der Entgeltgruppe 2 ERA RP abzüglich einer „ERA-RP: Kor. Prämie § 4 (2)“ iHv. 71,96 Euro. Weitere Entgeltbestandteile zahlt die Beklagte ausschließlich auf Grundlage der für Rheinland-Pfalz geschlossenen tariflichen Regelungen. Die monatliche Vergütung des Klägers liegt daher jeweils unterhalb des Alterssicherungsbetrags von 4.044,57 Euro.
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Mit Schreiben vom 26. Januar 2022 wies der Kläger darauf hin, dass sich „aus den Abrechnungen ab dem Monat Oktober 2021 jeweils ein Gesamtbruttoentgelt deutlich unter dem Alterssicherungsbetrag“ iHv. 4.044,57 Euro ergäbe und bat insoweit um „Stellungnahme sowie Korrektur der Entgeltabrechnungen und jeweils Auszahlung ab dem Monat Oktober 2021“.
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Mit seiner Klage begehrt der Kläger die weitere Durchführung der Alterssicherung nach den für den Tarifbezirk Nordwürttemberg/Nordbaden geltenden tariflichen Regelungen. Diese seien nach wie vor von der vertraglichen Bezugnahmeklausel erfasst. Der Wechsel des Arbeitsorts habe insoweit zu keiner Änderung geführt. Die Beklagte habe zudem im Schreiben vom 26. März 2021 zugesichert, dass es – mit Ausnahme der Grundvergütung – bei den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen verbleibe. Auf einer Betriebsversammlung sei ihm darüber hinaus verbindlich mitgeteilt worden, die Alterssicherung werde auch nach dem Ortswechsel durchgeführt. Jedenfalls habe die Beklagte ihn nicht ausreichend über die Folgen des Ortswechsels aufgeklärt und sei daher zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe der Vergütungsdifferenzen verpflichtet.
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Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
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1. |
die Beklagte zu verurteilen, an ihn restlichen Lohn für die Monate Oktober 2021 bis April 2022 iHv. 5.409,47 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 509,46 Euro seit dem 2. November 2021, aus 1.038,28 Euro seit dem 1. Dezember 2021, aus 776,00 Euro seit dem 3. Januar 2022, aus 746,25 Euro seit dem 1. Februar 2022, aus 847,62 Euro seit dem 1. März 2022, aus 816,30 Euro seit dem 1. April 2022 und aus 675,56 Euro seit dem 2. Mai 2022 zu bezahlen; |
2. |
festzustellen, dass ihm gegenüber ein tariflicher monatlicher Alterssicherungsbetrag iHv. 4.044,57 Euro brutto zur Anwendung zu bringen ist. |
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Bezugnahmeklausel sei aufgrund ihres Charakters als sog. Gleichstellungsabrede nunmehr auf die in Rheinland-Pfalz geltenden tariflichen Regelungen gerichtet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers falle nach dem Wechsel des Arbeitsorts in deren räumlichen Geltungsbereich. Das Schreiben vom 26. März 2021 habe nicht zu einer Vertragsänderung geführt, da die Beklagte lediglich einseitig von ihrem Direktionsrecht Gebrauch gemacht habe. Jedenfalls seien die tariflichen Regelungen für Nordwürttemberg/Nordbaden nicht mehr einschlägig und damit nicht mehr anzuwenden.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage – soweit streitgegenständlich – stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.
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I. Die Revision ist nicht bereits deshalb begründet, weil die Berufung des Klägers unzulässig gewesen wäre.
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1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist vom Revisionsgericht deshalb von Amts wegen zu prüfen (BAG 19. Juni 2024 – 5 AZR 167/23 – Rn. 12; 18. September 2019 – 4 AZR 275/18 – Rn. 10).
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2. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Die Berufungsbegründung muss auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 3. Juli 2019 – 4 AZR 456/18 – Rn. 27; ausf. BAG 18. Mai 2011 – 4 AZR 552/09 – Rn. 14 mwN).
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3. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers entgegen der Auffassung der Beklagten gerecht.
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a) Das Arbeitsgericht hat die Klageabweisung damit begründet, das Arbeitsverhältnis werde nach dem Ortswechsel des Klägers ab dem 1. Oktober 2021 nicht mehr vom Geltungsbereich der ursprünglich in Bezug genommenen Tarifverträge erfasst. Im Hinblick auf den Charakter der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede kämen allenfalls noch die für die Beklagte in Rheinland-Pfalz geltenden tariflichen Regelungen zur Anwendung. Das Versetzungsschreiben vom 26. März 2021 enthalte keine vertragliche Zusage. Die Beklagte habe lediglich von ihrem Weisungsrecht Gebrauch gemacht. Die Annahme einer Gesamtzusage scheitere an einem nicht homogenen Adressatenkreis sowie einer fehlenden Vollmacht des Mitarbeiters, der – nach Behauptung des Klägers – die Aussage getätigt haben soll.
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b) Hiermit hat sich der Kläger ausreichend auseinandergesetzt, indem er geltend gemacht hat, das Arbeitsgericht habe die Bezugnahmeklausel fehlerhaft ausgelegt und eine statische Bezugnahme nicht in Betracht gezogen. Zudem wendet er sich hinreichend gegen die Auslegung des Schreibens vom 26. März 2021, indem er unter näheren Ausführungen zu dessen Wortlaut begründet, warum diesem seiner Auffassung nach eine Zusicherung zu entnehmen ist. Darüber hinaus setzt er sich ebenso mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zu einer Zusage auf der Betriebsversammlung auseinander. Hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs war – mangels Auseinandersetzung des Arbeitsgerichts mit diesem Streitgegenstand – ausreichend, auf die fehlenden Ausführungen hinzuweisen (vgl. BAG 27. Februar 2018 – 9 AZR 167/17 – Rn. 19).
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II. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im noch streitgegenständlichen Umfang im Ergebnis zutreffend stattgegeben.
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1. Der Leistungsantrag ist zulässig und begründet.
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a) Er ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger verfolgt sein Klagebegehren nicht im Wege einer unzulässigen Klagehäufung.
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aa) Eine alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen. Deshalb muss, was auch konkludent möglich ist, eine Rangfolge gebildet werden. Diese ist grundsätzlich bereits in der Klage anzugeben. Es ist jedoch auch möglich, noch im Lauf des Verfahrens von der (unzulässigen) alternativen auf die (zulässige) eventuelle Klagehäufung überzugehen und die Reihenfolge zu bestimmen, in der die prozessualen Ansprüche geltend gemacht werden sollen (BAG 28. April 2021 – 4 AZR 230/20 – Rn. 18 mwN).
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bb) Diesen Anforderungen wird die Klage gerecht. Der Kläger hat mit seiner Berufungsbegründung konkludent durch die Reihenfolge, in der er auf die jeweiligen Streitgegenstände eingegangen ist, die Rangfolge angegeben, in der über diese entschieden werden soll. Danach stützt sich sein Hauptbegehren auf die vertragliche Bezugnahmeregelung, hilfsweise macht er einen Anspruch aus einer Zusicherung im Schreiben vom 26. März 2021 geltend. Wiederum hierzu hilfsweise führt er für sein Begehren eine Zusage bei der Betriebsversammlung und zuletzt einen Schadensersatzanspruch an. Dieses Verständnis hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.
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b) Der Leistungsantrag ist mit dem Hauptbegehren begründet. Der Kläger kann aufgrund der Bezugnahmeklausel in der Einstellungsnachricht die Durchführung der Alterssicherung nach § 6 des zwischen Südwestmetall und IG Metall geschlossenen Manteltarifvertrags für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 14. Juni 2005 (MTV NW/NB) und damit die Nachzahlung der eingeklagten Vergütung verlangen.
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aa) Die Verweisung auf die „Tarifbestimmungen für Arbeiter der Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden“ ist eine zeitdynamische Bezugnahme auf die genannten Tarifverträge, deren Dynamik nach der früheren Rechtsprechung des Senats mit dem Ende der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin entfällt – sog. Gleichstellungsabrede.
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(1) Bei der Einstellungsnachricht handelt es sich bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild um einen Formularvertrag, der nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen und dessen Auslegung durch das Landesarbeitsgericht in der Revisionsinstanz voll überprüfbar ist (vgl. BAG 12. Juni 2024 – 4 AZR 202/23 – Rn. 20; 2. Juni 2021 – 4 AZR 387/20 – Rn. 13 f. mwN).
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(2) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats (ausf. BAG 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – Rn. 24 ff., BAGE 116, 326; 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 29 ff., BAGE 122, 74) galt die Auslegungsregel, dass es einer an die vertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge tarifgebundenen Arbeitgeberin nur darum ging, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten hinsichtlich der Geltung dieser Tarifverträge „gleichzustellen“. Eine solche Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder den Begleitumständen bei Vertragsschluss einschränkend dahingehend ausgelegt, dass in den Inhalt der übereinstimmenden Willenserklärungen über den Wortlaut hinaus eine auflösende Bedingung hineingelesen wurde, nach der die Dynamik nur so weit reichte, wie dies bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer der Fall wäre; diese also dann endete, wenn die Arbeitgeberin wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden war. Diese Auslegungsregel wendet der Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes bei vor dem 1. Januar 2002 vereinbarten Bezugnahmeklauseln (sog. Altverträge) weiterhin an (BAG 13. Dezember 2023 – 4 AZR 286/22 – Rn. 16; 28. April 2021 – 4 AZR 229/20 – Rn. 33, BAGE 174, 382; 27. März 2018 – 4 AZR 151/15 – Rn. 22, jeweils mwN).
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(3) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der in der Einstellungsnachricht enthaltenen Regelung um eine dynamische Bezugnahme auf die tariflichen Bestimmungen für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden in Form einer sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung.
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(a) Die arbeitsvertraglichen Bedingungen der Einstellungsnachricht sind vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden. Am 1. März 1990 war die Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kraft Mitgliedschaft bei Südwestmetall an die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden gebunden. Der Kläger ist in L und damit im Geltungsbereich der in Bezug genommenen Tarifverträge tätig geworden.
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(b) Es handelt sich um eine dynamische Bezugnahme. In der Einstellungsnachricht wird kein konkretes Abschlussdatum hinsichtlich der in Bezug genommenen Tarifverträge genannt. In einem solchen Fall ist regelmäßig anzunehmen, dass die Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung finden sollen. Einer ausdrücklichen „Jeweiligkeits-Klausel“ bedarf es nicht (BAG 27. April 2022 – 4 AZR 289/21 – Rn. 22; zu einer sog. Gleichstellungsabrede bereits BAG 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – zu B II 1 b der Gründe, BAGE 67, 330).
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bb) Aufgrund der Versetzung des Klägers in das Tarifgebiet Rheinland-Pfalz ab dem 1. Oktober 2021 ist die zeitliche Dynamik der Bezugnahmeregelung entfallen. Die Tarifverträge sind aber weiterhin mit dem Regelungsbestand vom 30. September 2021 anzuwenden.
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(1) Die Versetzung des Klägers nach S und damit in das Tarifgebiet Rheinland-Pfalz hat nicht zur Anwendung der dort geltenden Tarifregelungen geführt. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfasst die vertragliche Vereinbarung nicht die Tarifverträge, an die die Beklagte jeweils gebunden ist (sog. große dynamische Bezugnahmeklausel, die auch als Tarifwechselklausel bezeichnet wird).
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(a) Eine dynamische Verweisung auf bestimmte Tarifverträge oder ein bestimmtes Tarifwerk kann über ihren Wortlaut hinaus nur dann als Verweis auf die jeweils für die Arbeitgeberin geltenden tariflichen Vereinbarungen ausgelegt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen ergibt (BAG 16. Mai 2018 – 4 AZR 209/15 – Rn. 23 mwN). Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus dem Charakter der Bezugnahme als sog. Gleichstellungsabrede. Die frühere Rechtsprechung des Senats (Rn. 27) hatte nicht den Inhalt, den am Vertrag beteiligten Arbeitnehmer tarifrechtlich wie einen an den in Bezug genommenen Tarifvertrag durch Mitgliedschaft gebundenen Arbeitnehmer zu behandeln. Der Arbeitnehmer sollte lediglich vertraglich hinsichtlich des in Bezug genommenen Tarifvertrags oder Tarifwerks so gestellt werden, als wäre er an diese Bestimmungen kraft Mitgliedschaft gebunden. Damit wurde die sich aus dem Wortlaut der Bezugnahme ergebende Dynamik auf die Zeit begrenzt, in der die Arbeitgeberin ohnehin im Verhältnis zu tarifgebundenen Arbeitnehmern durch ihre Verbandsmitgliedschaft an die Tarifentwicklung gebunden war. Eine darüber hinausgehende Gleichstellung, die auch einen für Gewerkschaftsmitglieder normativ eintretenden Tarifwechsel vertraglich nachvollzieht, kann zwar vereinbart werden; sie muss aber – anders als die auflösende Bedingung in Altverträgen – im Vertragswortlaut erkennbar zum Ausdruck kommen (BAG 16. November 2011 – 4 AZR 822/09 – Rn. 56; 6. Juli 2011 – 4 AZR 706/09 – Rn. 51, BAGE 138, 269 unter Aufgabe der durch die Beklagte herangezogenen Rechtsprechung aus BAG 4. September 1996 – 4 AZR 135/95 – zu II a bb der Gründe, BAGE 84, 97).
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(b) Vorliegend ist die Bezugnahmeklausel ihrem Wortlaut nach allein auf die „Tarifbestimmungen für Arbeiter der Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden“ gerichtet. Andere Tarifbezirke, insbesondere der Bezirk Rheinland-Pfalz, finden keine Erwähnung. Es bestehen keine Anhaltspunkte für einen Verweis auf andere als die benannten Tarifverträge. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergeben sich solche nicht aus dem Verweis auf die „Betriebsordnung und die Betriebsvereinbarungen unseres Unternehmens“. Die arbeitsvertragliche „Bezugnahme“ auf Tarifverträge einerseits und Betriebsvereinbarungen andererseits betrifft unterschiedliche Normenwerke mit grundlegend verschiedenen Wirkungen. Während Betriebsvereinbarungen nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG „automatisch“ unmittelbar und zwingend für das Arbeitsverhältnis gelten, erfassen die Normen von Tarifverträgen grundsätzlich nur die kongruent tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien. Dem Umstand, dass die Arbeitsvertragsparteien die – räumlich einschlägigen – Betriebsvereinbarungen und Gesamtbetriebsvereinbarungen in Bezug genommen haben, kommt deshalb für die Auslegung der Verweisung auf Tarifverträge keine Bedeutung zu (BAG 12. Juni 2024 – 4 AZR 202/23 – Rn. 27; 12. Dezember 2018 – 4 AZR 271/18 – Rn. 18; 11. Juli 2018 – 4 AZR 533/17 – Rn. 27, BAGE 163, 175 unter Abgrenzung zu den Entscheidungen des Senats vom 23. Januar 2008 – 4 AZR 602/06 – Rn. 24 und vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – zu I 1 b bb (2) (a) der Gründe, BAGE 114, 186). Gleiches gilt für die Bezugnahme auf die „Betriebsordnung“ (vgl. BAG 12. Dezember 2018 – 4 AZR 271/18 – aaO).
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(c) Ein anderes Ergebnis ergibt sich weder aus der von der Beklagten angeführten Auflösung einer Tarifkonkurrenz nach dem Grundsatz der Spezialität noch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Die Bezugnahmeklausel verweist ausschließlich auf die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden. Schon deshalb besteht für das Arbeitsverhältnis des Klägers kein Konkurrenzverhältnis zwischen mehreren in Bezug genommenen Tarifverträgen. Zudem handelt es sich bei dem Prinzip der Sachnähe und Spezialität um eine tarifrechtliche Kollisionsregel, die dazu dient, eine Tarifkonkurrenz bei einer Normenkollision zwischen zwei unmittelbar und zwingend geltenden Tarifverträgen für ein einzelnes Arbeitsverhältnis aufzulösen. Eine solche kann aber bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf tarifliche Regelungen nicht entstehen (BAG 16. Mai 2018 – 4 AZR 209/15 – Rn. 26; 7. Juli 2010 – 4 AZR 549/08 – Rn. 75 f., BAGE 135, 80). Mangels einer Tarifkonkurrenz ist auch keine planwidrige Regelungslücke erkennbar, die durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden könnte (vgl. zu den Voraussetzungen BAG 28. April 2021 – 4 AZR 229/20 – Rn. 43 mwN, BAGE 174, 382).
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(2) Der Wechsel des Arbeitsorts des Klägers hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht dazu geführt, dass die in Bezug genommenen „Tarifverträge … keine Geltung mehr beanspruchen können“, sondern lediglich zum Eintritt der in der Bezugnahmeklausel enthaltenen auflösenden Bedingung und damit zum Wegfall der Dynamik.
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(a) Die in der Bezugnahmeklausel enthaltene auflösende Bedingung führt bei deren Eintritt nicht zum Wegfall der gesamten Bezugnahme, sondern lediglich zum Wegfall der vereinbarten Dynamik. Die in Bezug genommenen Tarifverträge finden in diesem Fall nur noch statisch mit demjenigen Stand Anwendung, den sie zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts hatten (BAG 12. Juni 2024 – 4 AZR 202/23 – Rn. 30; 28. April 2021 – 4 AZR 229/20 – Rn. 33, BAGE 174, 382, jeweils mwN).
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(b) Gegenstand der auflösenden Bedingung ist – spiegelbildlich zu den Voraussetzungen der Gleichstellungsabrede – das Ende der Dynamik, wenn eine der Voraussetzungen für die Annahme einer sog. Gleichstellungsabrede entfällt. Das kann neben dem Ende der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin auch das „Herausfallen“ des Arbeitsverhältnisses aus dem Geltungsbereich des in Bezug genommenen Tarifvertrags sein.
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(aa) Voraussetzung für die Annahme einer auflösenden Bedingung ist, dass der im Arbeitsvertrag benannte Tarifvertrag allein deshalb – möglicherweise – nicht gilt, weil der Arbeitnehmer, und nur dieser, nicht tarifgebunden ist. Das ist nur der Fall, wenn der Tarifvertrag einschlägig ist, dh. das Arbeitsverhältnis – unter Außer-Acht-Lassen der Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers – alle Geltungsbereichsvoraussetzungen erfüllt. In der Konsequenz scheidet die Annahme einer sog. Gleichstellungsabrede bei einer Verweisung auf einen „fachfremden“ oder „ortsfremden“ Tarifvertrag grundsätzlich aus (ausf. BAG 21. Oktober 2009 – 4 AZR 396/08 – Rn. 23 ff. unter Aufgabe einer etwaig anderen Rechtsprechung aus der Entscheidung vom 21. August 2002 – 4 AZR 263/01 – BAGE 102, 275; sh. auch BAG 17. November 2010 – 4 AZR 127/09 – Rn. 18).
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(bb) Die vertragliche Anbindung an die dynamische Entwicklung der tariflichen Arbeitsbedingungen endet, wenn sie tarifrechtlich auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, zB durch Austritt der Arbeitgeberin aus dem zuständigen Arbeitgeberverband, durch das Herausfallen des Betriebs aus dem Geltungsbereich oder durch den Übergang des Betriebs, in dem der betroffene Arbeitnehmer beschäftigt ist, auf eine nicht tarifgebundene Arbeitgeberin. Ebenso wie nach den einschlägigen tarifrechtlichen Regelungen (§ 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5 TVG, § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB) in solchen Fallkonstellationen für den tarifgebundenen Arbeitnehmer die weiteren Änderungen oder Ergänzungen der einschlägigen Tarifverträge mangels beiderseitiger Tarifgebundenheit tarifrechtlich nicht mehr gelten, finden diese aufgrund einer sog. Gleichstellungsabrede auch nicht mehr in den Arbeitsverhältnissen der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer Anwendung (BAG 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – Rn. 13, BAGE 116, 326). Das entspricht dem Zweck einer solchen Bezugnahmeregelung, (allein) die Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers zu ersetzen (Rn. 27).
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(cc) Danach tritt die auflösende Bedingung auch ein, wenn – wie vorliegend – der Arbeitnehmer an einen Arbeitsort versetzt wird, der außerhalb des Geltungsbereichs des in Bezug genommenen Tarifvertrags liegt. Der Gleichstellungszweck kann in diesem Fall ebenfalls nicht mehr erreicht werden. Eine dynamische Fortgeltung hätte zur Folge, dass die Bezugnahmeklausel entgegen der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung ihren Charakter als sog. Gleichstellungsabrede verlieren würde, weil sie nunmehr dynamisch auf einen nicht einschlägigen Tarifvertrag verwiese. Dies entspricht nicht dem Regelungsplan der Vertragsparteien.
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cc) Das Schreiben der Beklagten vom 26. März 2021 hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht zu einer Ersetzung des vor dem 1. Januar 2002 geschlossenen „Altvertrags“ durch einen „Neuvertrag“ mit einer dann zeitdynamischen Bezugnahmeregelung (dazu grdl. BAG 18. November 2009 – 4 AZR 514/08 – Rn. 22 ff., BAGE 132, 261) geführt. Es enthielt kein Angebot zur Änderung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung, welches der Kläger durch Aufnahme der Tätigkeit am Standort S angenommen hätte. Es sollte sich lediglich um die Ausübung des Direktionsrechts handeln, die den Inhalt der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht berührt.
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(1) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, das Schreiben enthalte neben der Ausübung des Direktionsrechts eine Entgeltregelung, mit der eine bestimmte Grundvergütung versprochen worden sei. Darüber hinaus habe die Beklagte zugesichert, es verbleibe im Übrigen bei den bisherigen vertraglichen Bedingungen und damit bei der Anwendbarkeit der tarifvertraglichen Regelungen für Nordwürttemberg/Nordbaden. Denn die Beklagte sei beim Verfassen des Versetzungsschreibens davon ausgegangen, dass ab dem Ortswechsel die Tarifverträge für Rheinland-Pfalz auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer aufgrund der Bezugnahmeklausel zur Anwendung gebracht werden müssten.
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(2) Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem Schreiben der Beklagten um eine atypische Willenserklärung oder um eine Willenserklärung handelte, die nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen entwickelten Grundsätzen auszulegen ist. Die Auslegung atypischer Willenserklärungen durch das Landesarbeitsgericht unterliegt zwar – anders als die Auslegung von AGB – nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Es wird insoweit nur überprüft, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt werden, ob dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen und das tatsächliche Vorbringen der Parteien vollständig verwertet oder ob eine gebotene Auslegung völlig unterlassen worden ist (BAG 27. März 2018 – 4 AZR 208/17 – Rn. 28 mwN). Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält vorliegend auch einem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand. Das Schreiben vom 26. März 2021 enthält kein Vertragsangebot iSd. § 145 BGB.
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(a) Die Würdigung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht ist in sich widersprüchlich. Sollte die Beklagte erkennbar davon ausgegangen sein, ab dem Zeitpunkt der Versetzung seien bereits ohne Vertragsänderung aufgrund der Bezugnahmeklausel die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz anzuwenden, hätte die Erklärung „im Übrigen verbleibt es bei den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen“ nur zum Ausdruck gebracht, es solle bei der Bezugnahmeklausel – die auf die jeweils einschlägigen Tarifregelungen verweist – verbleiben. Darin hätte gerade keine vertragliche Zusicherung der weiteren Anwendbarkeit der für Nordwürttemberg/Nordbaden geltenden Tarifverträge gelegen.
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(b) Bereits nach dem Wortlaut des Schreibens handelte es sich lediglich um die „Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit“. Die Beklagte teilte dem Kläger unter Bezugnahme auf das arbeitsvertraglich vorbehaltene „Recht“, ihn zu versetzen, mit, seine Arbeitsbedingungen würden sich „ändern“. Danach ging die Beklagte davon aus, sie könne die folgenden Änderungen einseitig durch Ausübung des Direktionsrechts anordnen. Dem Wortlaut des Schreibens lässt sich nicht entnehmen, die Beklagte habe darüber hinaus auch eine vertragliche Abrede treffen wollen. Hierfür spricht auch der Ausspruch der vorsorglichen Änderungskündigung, falls der Kläger der Versetzung „widerspricht“. Wäre es ihr um ein Änderungsangebot gegangen, hätte sie die Kündigung für den Fall der Ablehnung des Angebots durch den Kläger erklären müssen.
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Die „Zuweisung“ ist daher nur als einheitliche Maßnahme betreffend die örtliche Versetzung und die Vergütungsänderung zu verstehen. Der Zusatz „im Übrigen verbleibt es bei den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen“ stellt dementsprechend lediglich klar, dass keine weiteren Änderungen der Arbeitsbedingungen angeordnet werden sollten.
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(3) Diese Ausübung des Direktionsrechts führt nicht zu einer Änderung des Arbeitsvertrags. Bei dem in § 106 GewO geregelten Weisungsrecht der Arbeitgeberin handelt es sich um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (§ 315 BGB; vgl. BAG 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 60 ff., BAGE 160, 296). Es dient der Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, berechtigt jedoch nicht zu Änderungen der vertraglichen Vereinbarungen (BAG 27. Juli 2021 – 9 AZR 448/20 – Rn. 21; 14. Oktober 2020 – 5 AZR 649/19 – Rn. 12). Mangels Änderung des Arbeitsvertrags kann das Schreiben vom 26. März 2021 daher nicht dazu geführt haben, dass die Parteien die Bezugnahmeklausel erneut zum Gegenstand ihrer Willensbildung gemacht haben (vgl. BAG 10. Dezember 2014 – 4 AZR 991/12 – Rn. 21 zu einem Unterrichtungsschreiben nach § 613a BGB).
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dd) Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeregelung ist – entgegen der durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung – nicht konkludent dahingehend geändert worden, dass diese nunmehr auf die in Rheinland-Pfalz für sie geltenden tariflichen Regelungen gerichtet ist. Der Kläger ist nicht an die im Schreiben vom 26. März 2021 dargestellte Vergütungsregelung gebunden, weil er der örtlichen Versetzung Folge geleistet hat.
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(1) Es ist zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich auch ohne ausdrückliche Erklärungen der Arbeitsvertragsparteien nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Eine solche Konkretisierung im Wege stillschweigender Vertragsänderung setzt aber voraus, dass über den bloßen Zeitablauf hinaus Umstände vorliegen, die ein schutzwürdiges Vertrauen auf Beibehaltung der Arbeitsbedingungen für die Zukunft begründen (zur Änderung zugunsten des Arbeitnehmers BAG 26. September 2012 – 10 AZR 336/11 – Rn. 14; vgl. auch BAG 22. Februar 2012 – 4 AZR 3/10 – Rn. 32 zum Unterrichtungsschreiben im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang). Vorliegend ist bereits der Zeitraum von Oktober 2021 bis zur Geltendmachung einer höheren Vergütung mit Schreiben vom 26. Januar 2022 zu kurz, um eine Konkretisierung der Arbeitsbedingungen in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus sind weitere Umstände weder vorgetragen noch ersichtlich.
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(2) Aus denselben Gründen ist das Recht des Klägers, sich auf die (ursprüngliche) vertragliche Regelung und damit eine etwaige (teilweise) Unwirksamkeit der Weisung zu berufen, nicht verwirkt (vgl. zur Geltendmachung einer unwirksamen Weisung BAG 12. Dezember 2006 – 9 AZR 747/06 – Rn. 18 mwN; sh. auch BAG 21. März 2024 – 2 AZR 79/23 – Rn. 32 ff.).
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ee) Aufgrund der statischen Fortgeltung der Bezugnahme auf die tariflichen Regelungen der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden kann der Kläger in der Zeit von Oktober 2021 bis April 2022 die Durchführung der Alterssicherung nach § 6 MTV NW/NB verlangen. Die Höhe der Forderungen steht zwischen den Parteien nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht im Streit. Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 26. Januar 2022 seine Ansprüche auch rechtzeitig iSd. Ausschlussfrist des § 18.1.2 MTV NW/NB geltend gemacht.
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ff) Der Zinsanspruch folgt im noch streitgegenständlichen Umfang aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
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2. Der Antrag zu 2. ist ebenfalls zulässig und begründet.
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a) Der Feststellungsantrag ist nach der gebotenen Auslegung zulässig.
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aa) Nach der durch das Landesarbeitsgericht vorgenommenen und vom Kläger nicht beanstandeten Auslegung ist sein Begehren auf die Feststellung gerichtet, dass ihm eine Verdienstsicherung nach den Grundsätzen des Manteltarifvertrags für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden (auch) ab Mai 2022 auf Grundlage eines festgeschriebenen Alterssicherungsbetrags iHv. 4.044,57 Euro zusteht. Die Parteien streiten nicht über dessen Höhe oder die daraus folgende Berechnung der konkreten Vergütung, sondern allein über die Reichweite der Bezugnahmeregelung und damit über die Frage, ob die Verdienstsicherung überhaupt durchzuführen ist. Dementsprechend begehrt der Kläger nicht die Feststellung eines konkreten, ihm monatlich zustehenden Betrags, sondern der anwendbaren tariflichen Regelungen auf Basis der Berechnung der Beklagten. Der Antrag enthält zwar keine zeitliche Einschränkung, ist aber nach Angaben des Klägers „für die Zukunft“ gestellt. Damit wird die Feststellung erkennbar ab dem Zeitpunkt begehrt, der sich an den mit dem Leistungsantrag abgedeckten anschließt.
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bb) Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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(1) Eine Feststellungsklage muss die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein, so dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Bei einer stattgebenden Entscheidung darf keine Unklarheit über den Umfang der Rechtskraft bestehen. Bei einer Feststellungsklage sind grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einer Leistungsklage (BAG 22. Februar 2023 – 4 AZR 68/22 – Rn. 55; 25. Januar 2017 – 4 AZR 520/15 – Rn. 28).
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(2) Diesen Anforderungen genügt der Antrag des Klägers. Er ermöglicht eine Entscheidung über die zwischen den Parteien streitige Anwendbarkeit der tariflichen Regelung und damit den Anspruch auf Durchführung der Verdienstsicherung. Der Kläger war nicht gehalten, die nähere Durchführung der Verdienstsicherung in den Antrag aufzunehmen, da insoweit kein Streit besteht. Im Übrigen ergibt sich diese aus § 6 MTV NW/NB. Bei dem „Alterssicherungsbetrag“ handelt es sich um den nach § 6.7 MTV NW/NB festgeschriebenen Betrag, der Grundlage der Vergütungsberechnung ist und nach § 6.10 und § 6.11 MTV NW/NB Veränderungen unterliegen kann.
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(3) Der Kläger hat zudem die erforderliche Rangfolge der von ihm angeführten Streitgegenstände festgelegt (Rn. 23).
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cc) Für den Antrag besteht entgegen der Auffassung der Beklagten das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO.
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(1) Eine Feststellungsklage iSd. § 256 Abs. 1 ZPO kann sich als sog. Elementenfeststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Das Feststellungsinteresse ist allerdings nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag ein zwischen den Parteien bestehender Streit über Leistungsverpflichtungen insgesamt bereinigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt wird (BAG 24. Januar 2024 – 4 AZR 120/23 – Rn. 14; 24. Juni 2021 – 5 AZR 529/20 – Rn. 26 f.).
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(2) Nach diesen Maßstäben ist der Antrag zulässig.
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(a) Er ist geeignet, den Streit der Parteien – insbesondere auch hinsichtlich der zukünftigen Leistungspflichten – über die Anwendbarkeit der tariflichen Regelung und damit den Anspruch auf Durchführung der Verdienstsicherung nach den tariflichen Vorschriften (sh. bereits Rn. 59) abschließend zu klären.
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(b) Aufgrund der Befriedungsfunktion eines Feststellungsurteils war der Kläger nicht gehalten, eine Leistungsklage zu erheben (vgl. BAG 6. Juli 2011 – 4 AZR 706/09 – Rn. 15, BAGE 138, 269). Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, die Beklagte werde einer (rechtskräftigen) gerichtlichen Feststellung nicht Folge leisten. Weder die Durchführung des Revisionsverfahrens noch eine fehlende ausdrückliche Erklärung der Beklagten, sie werde sich entsprechend der getroffenen Feststellung verhalten, sind hierfür ausreichend. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Beklagte sich rechtstreu verhalten wird.
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b) Der Antrag ist aufgrund der fortbestehenden (statischen) Bezugnahme auf den MTV NW/NB auch begründet.
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3. Die Hilfsanträge fallen dem Senat danach nicht zur Entscheidung an.
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III. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Treber |
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Betz |
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Klug |
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Chr. Suilmann |
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Th. Hess |