Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. September 2015 – 17 Sa 48/14 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.
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Der Kläger war bei der Beklagten seit April 1996 beschäftigt, zuletzt als „Leiter Revision Bereich Corporate Audit“. Beim Kläger wurde am 27. Juni 2013 eine Leukämie diagnostiziert. Unter dem 3. September 2013 wurde er rückwirkend zum 28. Juni 2013 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 anerkannt.
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Im Verlauf des Jahres 2013 verdächtigte die Beklagte den Kläger, vertrauliche Informationen an Dritte weitergegeben zu haben. Bei den von ihr durchgeführten Ermittlungen stieß sie auf eine nach ihrem Dafürhalten auffällige Aufstellung des Klägers über die Betankung seines Dienstwagens. Ferner ergab sich, dass der Kläger während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken das Internet und E-Mail-System der Beklagten genutzt hatte.
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Anfang Juli 2013 teilte der Klägervertreter der Beklagten mit, dass sein Mandant arbeitsunfähig erkrankt sei und daher nicht an einem vorgesehenen Personalgespräch zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen teilnehmen könne. Der Kläger lehnte unter Hinweis auf seine andauernde Arbeitsunfähigkeit auch die Teilnahme an einem weiteren Gespräch ab.
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Die Beklagte kündigte nach Anhörung des Betriebsrats das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13. August 2013 außerordentlich, hilfsweise ordentlich.
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Mit weiterem Schreiben vom 13. August 2013 hörte die Beklagte den Kläger zu den Sachverhalten an, die ihres Erachtens zumindest den Verdacht erheblicher Pflichtverletzungen begründeten und forderte ihn auf, bis zum 3. September 2013 Stellung zu nehmen. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 29. August 2013 mit, dass er aufgrund einer ernsthaften Erkrankung nicht in der Lage sei, sich mit den Vorgängen zu befassen. Zugleich wies er darauf hin, dass er einen Feststellungsantrag nach § 69 SGB IX gestellt habe. Das Schreiben ging der Beklagten spätestens am 6. September 2013 zu.
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Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 9. September 2013 den Betriebsrat zu einer weiteren außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Tat- und Verdachtskündigung an. Darin führte sie unter anderem aus, der Kläger habe von der Möglichkeit, den gegen ihn bestehenden Verdacht auszuräumen, keinen Gebrauch gemacht, wodurch sie sich in ihrer „Auffassung bestätigt“ sehe, „daß er dieses Fehlverhalten begangen“ habe, jedenfalls habe sich der dahingehende Verdacht bestätigt. Sie habe Zweifel „am Wahrheitsgehalt der Aussage (des Klägers) zur Krankheit und zur Behinderung“. Nach Ablauf der Stellungnahmefrist am 3. September 2013 wisse sie, „dass [er] dem Verdacht nichts entgegensetzen kann oder will“.
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Nachdem die Beklagte den Feststellungsbescheid über die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers erhalten hatte, beantragte sie am 11. September 2013 beim Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen und ordentlichen Kündigung.
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Mit Schreiben vom 16. September 2013 hörte die Beklagte den Betriebsrat erneut zu einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Tat- und Verdachtskündigung an. Dem Schreiben war das Anhörungsschreiben vom 9. September 2013 als Anlage beigefügt. Der Betriebsrat antwortete nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „am 19. September 2013“.
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Ebenfalls am 19. September 2013 fand ein Termin zur mündlichen Anhörung vor dem Integrationsamt statt. Die Beklagte erlangte bei dieser Gelegenheit Kenntnis von der Art und Schwere der Erkrankung des Klägers. Dieser übergab den Vertretern der Beklagten eine 26-seitige Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen.
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Nachdem das Integrationsamt die beantragten Zustimmungen erteilt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. September 2013 erneut außerordentlich und mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 hilfsweise ordentlich.
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Gegen sämtliche Kündigungen hat sich der Kläger rechtzeitig mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen vom 13. August 2013 seien bereits mangels vorheriger Zustimmung des Integrationsamts unwirksam. Ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Bei den außerordentlichen Kündigungen sei außerdem die Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen nicht eingehalten. Hinsichtlich der Kündigungen vom 26. September 2013 und vom 28. Oktober 2013 fehle es überdies an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats.
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Der Kläger hat – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – beantragt,
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1. |
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung vom 13. August 2013 aufgelöst wurde; |
2. |
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2013 noch durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung vom 28. Oktober 2013 aufgelöst wurde. |
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Die Kündigungen seien ua. wegen Arbeitszeitbetrugs und wegen Tankbetrugs gerechtfertigt, zumindest aber wegen eines entsprechenden Verdachts. Die Kündigungserklärungsfrist für die außerordentlichen Kündigungen sei eingehalten. Bezogen auf die Kündigungen vom 13. August 2013 könne sich der Kläger nicht mit Erfolg auf einen Sonderkündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch berufen. Sie habe keine Kenntnis von seiner Schwerbehinderung gehabt, sie sei ihr auch nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt worden.
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Das Arbeitsgericht hat die Kündigungen vom 13. August 2013 und vom 26. September 2013 als rechtsunwirksam, die Kündigung vom 28. Oktober 2013 hingegen als wirksam angesehen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten der Klage insgesamt stattgegeben sowie den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte vorrangig die vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat keinen Erfolg. Die Kündigungen haben das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die außerordentliche und die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 13. August 2013 seien gem. § 85 SGB IX iVm. § 134 BGB nichtig.
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1. Die Kündigungen bedurften gem. §§ 85, 91 Abs. 1 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Diese lag bei deren Zugang nicht vor. Die Kündigungen verstießen damit gegen ein gesetzliches Verbot iSd. § 134 BGB. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 70 anerkannt (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX). Der Sonderkündigungsschutz ist nicht gem. § 90 Abs. 2a SGB IX ausgeschlossen. Der Kläger hatte mehr als drei Wochen vor Zugang der Kündigung den Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch gestellt (§ 90 Abs. 2a iVm. § 69 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX).
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2. Der Kläger hat das Recht, sich auf den Sonderkündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch zu berufen, nicht nach § 242 BGB verwirkt.
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a) Hat der schwerbehinderte Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits einen Bescheid über seine Schwerbehinderteneigenschaft erhalten oder wenigstens – wie hier – rechtzeitig einen entsprechenden Antrag beim Versorgungsamt gestellt, steht ihm der Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX auch dann zu, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft oder der Antragstellung keine Kenntnis hatte (BAG 23. Februar 2010 – 2 AZR 659/08 – Rn. 16, BAGE 133, 249; 12. Januar 2006 – 2 AZR 539/05 – Rn. 15). Allerdings unterliegt das Recht des Arbeitnehmers, sich nachträglich auf eine Schwerbehinderung zu berufen und die Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung geltend zu machen, der Verwirkung (§ 242 BGB). Diese ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Mit der Verwirkung wird ausgeschlossen, Rechte illoyal verspätet geltend zu machen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Gläubiger sich längere Zeit nicht auf seine Rechte berufen hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr wahrnehmen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist. Dies ist mit Blick auf den Sonderkündigungsschutz eines Arbeitnehmers nach §§ 85 ff. SGB IX der Fall, wenn der Arbeitgeber von der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch keine Kenntnis hatte und der Arbeitnehmer sich nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Zugang der Kündigung gegenüber dem Arbeitgeber auf seine bereits festgestellte oder zur Feststellung beantragte Schwerbehinderteneigenschaft beruft (BAG 23. Februar 2010 – 2 AZR 659/08 – aaO; 12. Januar 2006 – 2 AZR 539/05 – Rn. 16).
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b) Für die Beurteilung der Länge der angemessenen Frist ist § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nicht analog anzuwenden. Der Gesetzgeber hat von der Möglichkeit einer entsprechenden Regelung für die Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft oder einer darauf bezogenen Antragstellung keinen Gebrauch gemacht. Er hat auf den ihm bekannten Konflikt zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an der möglichst schnellen Kenntnis der rechtlichen Voraussetzungen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und dem des Arbeitnehmers, die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen des besonderen Kündigungsschutzes für schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen nicht zu offenbaren, allein mit der Einfügung von § 90 Abs. 2a SGB IX durch Art. 1 Nr. 21a Buchst. b des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) reagiert. Allerdings konnte der Gesetzgeber bei der mit Wirkung zum 1. Mai 2004 erfolgten Änderung der Voraussetzungen für den Kündigungsausspruch gegenüber schwerbehinderten bzw. diesen gleichgestellten Menschen von der ständigen Senatsrechtsprechung ausgehen, wonach sich der Arbeitnehmer innerhalb einer Regelfrist von einem Monat gegenüber dem Arbeitgeber auf das Feststellungsverfahren oder die Antragstellung berufen muss, weil das Gebot der Rechtssicherheit im Kündigungsrecht eine zeitliche Begrenzung auch bei der Geltendmachung des Kündigungsschutzes durch den Arbeitnehmer erfordert (zuletzt BAG 7. März 2002 – 2 AZR 612/00 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 100, 355). Hat der Arbeitnehmer die Mitteilung unterlassen, ist die Kündigung jedenfalls nicht bereits wegen der fehlenden Zustimmung des Integrationsamts unwirksam.
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c) Als Maßstab für die Rechtzeitigkeit der Geltendmachung ist vielmehr seit der Änderung des Kündigungsschutzgesetzes durch Art. 1 des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) von der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG auszugehen (BAG 24. September 2015 – 2 AZR 347/14 – Rn. 34, BAGE 153, 1; 23. Februar 2010 – 2 AZR 659/08 – Rn. 21, BAGE 133, 249). Binnen dieser Frist muss der Arbeitnehmer entscheiden, ob er gegen die Kündigung vorgehen will. Dieser Zeitraum steht ihm deshalb grundsätzlich auch für die Entscheidung zur Verfügung, ob er sich auf eine dem Arbeitgeber noch nicht bekannte Schwerbehinderteneigenschaft berufen möchte. Hinzuzurechnen ist die Zeitspanne, innerhalb derer er den Zugang der Mitteilung über den bestehenden Sonderkündigungsschutz beim Arbeitgeber zu bewirken hat. Ein Berufen auf den Sonderkündigungsschutz innerhalb dieses Zeitraums ist regelmäßig nicht als illoyal verspätet anzusehen. Hierbei darf es dem Arbeitnehmer auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn er – etwa zu Beweiszwecken – eine schriftliche Information wählt. Mit diesen Grundsätzen ist einerseits keine starre Grenze von drei Wochen, innerhalb derer der Arbeitgeber informiert sein müsste (dafür Gehlhaar NZA 2011, 673, 675 f.), zu vereinbaren. Andererseits kann sich ein Arbeitnehmer, der seine Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch allein in der bei Gericht eingereichten Klageschrift mitteilt, nicht auf den Rechtsgedanken des § 167 ZPO berufen, wenn die Zustellung außerhalb der für eine unmittelbare Übermittlung an den Arbeitgeber zuzugestehenden Zeitspanne erfolgt (aA Nägele NZA 2010, 1377, 1379).
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d) Welche Zeitspanne noch als angemessen anzusehen ist, um den Zugang der Information über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes nach § 85 SGB IX beim Arbeitgeber zu bewirken, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Der Kläger hat den Sonderkündigungsschutz nicht verwirkt. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten hat sie die Mitteilung des Klägers über seine Antragstellung am 6. September 2013, und damit am 22. Tag nach dem Zugang der Kündigung vom 13. August 2013 erhalten. Die Beklagte hatte demnach von den möglicherweise den Sonderkündigungsschutz begründenden Umständen bereits am Tag nach Ablauf der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG Kenntnis.
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II. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend die fristlose Kündigung vom 26. September 2013 und die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28. Oktober 2013 gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG für unwirksam gehalten.
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1. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gemäß Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine Kündigung ist dabei nach Satz 3 nicht erst unwirksam, wenn eine Unterrichtung ganz unterblieben ist, sondern schon dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist (BAG 23. Februar 2012 – 2 AZR 773/10 – Rn. 30; 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – zu II 1 der Gründe, BAGE 78, 39). Der notwendige Inhalt der Unterrichtung gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG richtet sich nach Sinn und Zweck der Anhörung. Dieser besteht darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, dh. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einzuwirken. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Die Anhörung soll dem Betriebsrat nicht die selbständige – objektive – Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern ggf. eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen (BAG 16. Juli 2015 – 2 AZR 15/15 – Rn. 14, BAGE 152, 118; 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 – Rn. 22).
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a) Der Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist deshalb grundsätzlich subjektiv determiniert. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet. Schildert er dem Betriebsrat bewusst einen solchen irreführenden Kündigungssachverhalt, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann, ist die Anhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam (BAG 16. Juli 2015 – 2 AZR 15/15 – Rn. 15 f., BAGE 152, 118; 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 – Rn. 14).
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b) Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 16. Juli 2015 – 2 AZR 15/15 – Rn. 19, BAGE 152, 118; 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 – Rn. 15). In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung – ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers – auch objektiv, dh. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 16. Juli 2015 – 2 AZR 15/15 – aaO).
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2. Es kann dahinstehen, ob das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, die Beklagte habe das Ergebnis eines von ihr intern durchgeführten Betankungsversuchs dem Betriebsrat unabhängig von ihrer subjektiven Einschätzung schon deshalb mitteilen müssen, weil es objektiv geeignet gewesen sei, den Kläger zu entlasten. Bedenken hiergegen bestehen insofern, als das Landesarbeitsgericht gemeint hat, bei den Bedingungen des Tankversuchs habe es sich um ein „nicht ganz ungewöhnliche(s) Tankverhalten“ gehandelt, ohne dass erkennbar würde, aufgrund welcher Tatsachen es zu dieser Annahme gelangt ist.
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3. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die Anhörung des Betriebsrats nach den der Beklagten anlässlich des Termins beim Integrationsamt am 19. September 2013 bekannt gewordenen Umständen nicht mehr ordnungsgemäß war.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat die mit Schreiben vom 16. September 2013 eingeleitete Anhörung dahin verstanden, die Beklagte werte den Umstand, dass der Kläger keine Stellungnahme abgegeben habe, (zusätzlich) zu seinen Lasten. An ihrer Kündigungsabsicht wolle sie insofern auch deshalb festhalten, weil sie Zweifel daran habe, dass der Kläger tatsächlich erkrankt sei. Diese Würdigung lässt weder einen revisiblen Rechtsfehler erkennen noch hat die Revision eine hiergegen gerichtete Verfahrensrüge nach § 286 Abs. 1 ZPO erhoben.
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aa) Die Beklagte hat im Berufungsverfahren selbst vorgetragen, dem Anhörungsschreiben an den Betriebsrat vom 16. September 2013 sei als Anlage ihr Schreiben vom 9. September 2013 beigefügt gewesen. Sie hat sich zwar darauf berufen, dieses habe „keine Rolle mehr gespielt“. Sie hat aber nicht dargelegt, aufgrund welcher Umstände dies für den Betriebsrat erkennbar gewesen sei.
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bb) Im Schreiben vom 9. September 2013 hatte die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger von der Möglichkeit, den gegen ihn bestehenden Verdacht auszuräumen, keinen Gebrauch gemacht habe. Sie sehe sich dadurch in ihrer „Auffassung bestätigt, daß er dieses Fehlverhalten begangen“ habe, jedenfalls sei der dahingehende Verdacht bestätigt. Sie habe Zweifel „am Wahrheitsgehalt (seiner) Aussage zur Krankheit“. Das darauf bezogene Verständnis des Berufungsgerichts, die Beklagte habe damit dem Betriebsrat die Tatsache, dass der Kläger ihres Erachtens ohne nachvollziehbaren Grund keine Stellungnahme abgegeben hatte, selbst als einen für ihren Kündigungsentschluss relevanten, (zusätzlich) belastenden Umstand mitgeteilt, hält sich im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung. Das Landesarbeitsgericht konnte die Ausführungen der Beklagten im Schreiben vom 9. September 2013 auch dahingehend verstehen, dass diese nicht nur auf die Verdachts-, sondern auch auf die Tatkündigung bezogen sein sollten. Dem Anhörungsschreiben vom 16. September 2013 lässt sich nicht entnehmen, die Beklagte habe an ihrer Bewertung nicht mehr festgehalten. In den Vorbemerkungen teilt diese zwar mit, ihr liege zwischenzeitlich der Bescheid über die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers vor. Sie weist aber ausdrücklich weiter darauf hin, ihr seien außer der Anerkennung der Schwerbehinderung „keine neuen wesentlichen Gesichtspunkte … bekannt geworden“.
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b) Nachdem die Beklagte anlässlich des Termins vor dem Integrationsamt und damit noch vor Zugang der Kündigung Kenntnis davon erlangt hatte, dass der Kläger tatsächlich schwer erkrankt war, und sie nunmehr außerdem seine ausführliche schriftliche Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen erhalten hatte, hätte sie den Betriebsrat auf diese veränderte Sachlage hinweisen und ihre Mitteilung gegenüber dem Gremium ergänzen müssen. Für ihre bisherige negative Bewertung der unterbliebenen Reaktion des Klägers war, nachdem keine Zweifel mehr an der Erkrankung bestanden und auch eine Stellungnahme des Klägers mittlerweile vorlag, die tatsächliche Grundlage entfallen. Die zuvor erfolgte Unterrichtung war nunmehr irreführend. Zwar hielt die Beklagte im Ergebnis an ihrem Kündigungsentschluss fest. Sie musste aber aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Änderung des dem Betriebsrat mitgeteilten Sachverhalts diesem erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme eröffnen. Dies gilt selbst dann, wenn das mit Schreiben vom 16. September 2013 eingeleitete Anhörungsverfahren durch eine der Beklagten zugegangene abschließende Stellungnahme des Betriebsrats bereits abgeschlossen gewesen sein sollte. Es lag eine wesentliche Änderung des von der Beklagten selbst bisher als für ihren Kündigungsentschluss maßgeblich dargestellten Sachverhalts vor (zu diesem Erfordernis BAG 20. Januar 2000 – 2 AZR 378/99 – zu B II 2 der Gründe, BAGE 93, 255; 18. Mai 1994 – 2 AZR 626/93 – zu B II 2 a der Gründe).
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III. Den Auflösungsantrag der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zu Recht abgewiesen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung auf Antrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommt nur in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung allein aufgrund ihrer Sozialwidrigkeit und nicht aus anderen Gründen iSv. § 13 Abs. 3 KSchG rechtsunwirksam ist (BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 434/13 – Rn. 44; 24. November 2011 – 2 AZR 429/10 – Rn. 19, BAGE 140, 47). Dies ist aus den vorgenannten Gründen bei den ordentlichen Kündigungen vom 13. August 2013 und vom 28. Oktober 2013 nicht der Fall.
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IV. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
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Koch |
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Niemann |
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Rachor |
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Niebler |
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Alex |