Der Präsident des Bundesarbeitsgerichts a. D. Professor Dr. Hellmut Wißmann ist am 17. Februar 2022 im Alter von 82 Jahren verstorben.
Professor Dr. Hellmut Wißmann wurde am 15. Februar 1940 in Darmstadt geboren. Er studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Frankfurt am Main, Lausanne und Freiburg im Breisgau. Im Jahr 1972 wurde er am Institut für Europarecht der Universität zu Köln mit einer Arbeit zum europäischen Kartellrecht promoviert.
Anschließend war er als Referent und später als Referatsleiter in der arbeitsrechtlichen Abteilung des damaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung tätig. Dort war er maßgeblich mit der Vorbereitung wichtiger arbeitsrechtlicher Gesetze befasst, unter anderem für die Bereiche Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Aufsichtsräten, Grundsatzfragen des Arbeitsrechts sowie Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Während der deutschen Wiedervereinigung arbeitete er auch am Vertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion sowie am Einigungsvertrag mit.
Im Juli 1992 wurde Hellmut Wißmann zum Richter am Bundesarbeitsgericht ernannt. Zunächst war er dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts zugewiesen und wirkte dort an grundlegenden Entscheidungen zum Tarifvertragsrecht mit. Im Jahr 1994 wechselte er in den Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts.
Professor Dr. Hellmut Wißmann wurde im Juli 1999 zum Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts berufen und übernahm den Vorsitz des Ersten Senats, den er bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2005 innehatte.
In dieser Stellung trug er mit Weitblick und sozialem Engagement dazu bei, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allgemein anerkannt wird und Arbeitnehmer und Arbeitgeber Vertrauen in die Arbeitsgerichtsbarkeit haben. In seiner Amtszeit hat sich das Arbeitsrecht auf vielen Feldern fortentwickelt. Als Vorsitzender des Ersten Senats hatte er daran maßgeblichen Anteil mit Entscheidungen zur Bildung eines Europäischen Betriebsrats, zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz, zum Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit und zum Streik um einen Firmentarifvertrag gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber.
Herr Wißmann war Autor zahlreicher Veröffentlichungen, insbesondere zum europäischen Arbeitsrecht, zum Mitbestimmungsrecht und zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Arbeitsrecht.
Hellmut Wißmann war es stets ein Anliegen, das Recht so zu vermitteln, dass es auch dem nicht fachkundigen Bürger verständlich ist. Er wollte das Bundesarbeitsgericht nahbar machen, aber auch Begeisterung für die Lehre und juristische Diskussionen wecken.
So war es nur folgerichtig, dass er seit 2001 eine Honorarprofessur für deutsches und europäisches Arbeitsrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg innehatte.
Seit Beginn seiner Amtszeit als Präsident war Hellmut Wißmann bestrebt, dass das Bundesarbeitsgericht von den Bürgerinnen und Bürgern Erfurts als offenes Haus und Teil der Stadt wahrgenommen wird. Er machte das Bundesarbeitsgericht für Besucherinnen und Besucher, aber auch für Studierende durch zahlreiche Führungen, Ausstellungen und Veranstaltungen sichtbar und erlebbar. In Zusammenarbeit mit der Universität Jena entwickelte er das Konzept des arbeitsrechtlichen Moot Courts, der im Wintersemester 2005/2006 zum ersten Mal durchgeführt wurde.
Professor Dr. Wißmann war ein engagierter und anerkannter Richter und Rechtswissenschaftler, für den die Unabhängigkeit der Rechtsprechung, die Eigenständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit und der wissenschaftliche Diskurs Kernthemen seines Wirkens waren.
Das Thema des Arbeitsrechts im sozialen Dialog prägte sein berufliches Wirken und die Ausrichtung des Bundesarbeitsgerichts. Die Erarbeitung der Entscheidungen in intensiver Zusammenarbeit mit den von den Sozialpartnern vorgeschlagenen ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern war ihm stets ein besonderes Anliegen.
Unter seiner Präsidentschaft wurde das Europarechtliche Symposion, eine von seinem Vorgänger im Amt Professor Dr. Thomas Dieterich begründete Veranstaltungsform, zu einem fachlich anerkannten und beliebten Fachforum für den Diskurs im europäischen Arbeitsrecht.
Darüber hinaus war Hellmut Wißmann eine vorbildliche Führungspersönlichkeit, die das Bundesarbeitsgericht mit Engagement, Souveränität und innerer Unabhängigkeit vorangebracht und geleitet hat. Sein Blick für die Belange aller Beschäftigten hat dafür gesorgt, dass das Gericht und die Menschen, die in ihm arbeiten, gut in Erfurt angekommen sind.
Seine Fähigkeit, kontroverse Standpunkte mit persönlicher Wertschätzung, respektvollem Umgang und großer Integrationskraft auf fachlicher Ebene zu diskutieren und zu einem fundierten Ergebnis zu führen, haben die Kultur des Bundesarbeitsgerichts nachhaltig geprägt.
Mit Hellmut Wißmann verliert das Bundesarbeitsgericht einen Freund, einen Menschen, der mitmenschliche Werte gelebt hat, und einen großen Juristen.