Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 31. Juli 2024 – 5 Ta 44/24 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Leitsatz
Syndikusrechtsanwälte, die für einen Verband nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5, Satz 3 ArbGG Rechtsdienstleistungen gegenüber Verbandsmitgliedern erbringen, können sowohl das eigene besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) als auch das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) des Verbands als sichere Übermittlungswege nutzen.
Entscheidungsgründe
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I. Der Kläger begehrt die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung eines gerichtlichen Vergleichs.
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Die Parteien streiten im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens vorrangig darüber, ob der Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet ist. Diesen haben die Parteien in der Güteverhandlung geschlossen und die Beklagte hat diesen innerhalb der darin vereinbarten Frist widerrufen. Der Schriftsatz, mit dem der von der Beklagten bevollmächtigte Arbeitgeberverband den Widerruf erklärt hat, schließt mit der maschinenschriftlichen Wiedergabe des Namens einer Syndikusrechtsanwältin ab. Der Schriftsatz wurde über das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) des Arbeitgeberverbands an das Arbeitsgericht übermittelt. Als Absender weist der Authentizitäts- und Integrationsnachweis den Arbeitgeberverband aus. Eine qualifizierte elektronische Signatur ergibt sich aus dem Authentizitäts- und Integrationsnachweis nicht.
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Der Kläger hat beim Arbeitsgericht die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs nebst Rechtskraftvermerk beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, der Vergleich sei nicht wirksam widerrufen worden. Der Widerrufsschriftsatz enthalte keine qualifizierte elektronische Signatur. Ein einfach signiertes elektronisches Dokument könne von einer Verbandssyndikusrechtsanwältin nicht wirksam aus dem eBO des Arbeitgeberverbands übermittelt werden, sondern müsse aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt werden.
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Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat den Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs abgelehnt und der dagegen eingelegten Erinnerung nicht abgeholfen. Der Vorsitzende Richter der Kammer des Arbeitsgerichts hat die Erinnerung des Klägers zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen.Dagegen wendet sich dieser mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
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II. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 78 Satz 1 und Satz 2 ArbGG iVm. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft (vgl. BAG 28. Februar 2019 – 10 AZB 44/18 – Rn. 8). Sie ist auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger kann nicht verlangen, dass das Arbeitsgericht ihm eine vollstreckbare Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs erteilt. Der Vergleich ist von der Beklagten fristgerecht widerrufen worden. Der Widerruf ist wirksam als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht worden.
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1. Nach § 46c Abs. 1 ArbGG kann der Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Dazu muss dieses nach § 46c Abs. 3 Satz 1 ArbGG mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.
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2. Der Schriftsatz, mit dem die Beklagte den Vergleich widerrufen hat, ist iSv. § 46c Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ArbGG von der verantwortenden Verbandssyndikusrechtsanwältin signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden.
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a) Die Syndikusrechtsanwältin des die Beklagte nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ArbGG vertretenden Arbeitgeberverbands hat den Widerrufsschriftsatz durch maschinenschriftliche Wiedergabe ihres Namens einfach signiert (§ 46c Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ArbGG).
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b) Die Einreichung des Widerrufsschriftsatzes als elektronisches Dokument ist auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Satz 1 ArbGG erfolgt. Sichere Übermittlungswege sind sowohl die Übersendung aus dem beA nach § 46c Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ArbGG als auch die Übersendung aus dem eBO nach § 46c Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 ArbGG.
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c) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass als Syndikusrechtsanwälte zugelassene Verbandsvertreter, die für Bevollmächtigte iSv. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG auftreten, für die Übermittlung elektronischer Dokumente sowohl das beA als auch das eBO nutzen können (Natter/Bader NZA 2024, 165, 166 f.; Prinz SAE 2023, 61, 62 f.; Tiedemann in Henssler/Willemsen/Kalb Arbeitsrecht Kommentar 11. Aufl. § 46c ArbGG Rn. 41; vgl. auch BAG 23. Mai 2023 – 10 AZB 18/22 – Rn. 9; zum Wahlrecht eines Syndikusrechtsanwalts einer Behörde zwischen dem beA und dem elektronischen Postfach für den Datenaustausch zwischen Behörden und Gerichten (beBPo) für die Einreichung einer Revision: BSG 29. Juni 2023 – B 1 KR 20/22 R – Rn. 12; aA LAG Hamm 4. April 2023 – 7 TaBV 177/22 – zu B III 2 a dd der Gründe; 27. September 2022 – 10 Sa 229/22 – B II 3 d cc der Gründe).
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aa) Aus § 46c Abs. 4 ArbGG ergibt sich kein Rangverhältnis zwischen den unterschiedlichen sicheren Übermittlungswegen (Natter/Bader NZA 2024, 165, 167). Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Übersendung aus dem eBO um einen sog. nicht-personenbezogenen sicheren Übermittlungsweg handelt (H. Müller in Ory/Weth jurisPK-ERV Band 2 2. Aufl. Stand 17. Dezember 2024 § 130a ZPO Rn. 223). Die damit verbundene Unmöglichkeit der zweifelsfreien Zuordnung einer versandten Nachricht zu einer handelnden Person ist grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BAG 24. Oktober 2024 – 2 ABR 38/23 – Rn. 20 zur Übermittlung aus dem beBPo). Für die Prozessvertretung im arbeitsgerichtlichen Verfahren durch die Verbände des Arbeitslebens und deren juristische Personen iSv. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG korrespondiert dies mit dem Umstand, dass diese selbst Bevollmächtigte sind, die lediglich nach § 11 Abs. 2 Satz 3 ArbGG durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter handeln.
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bb) Verbandssyndikusrechtsanwälte sind entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aufgrund von § 46g Satz 1 ArbGG gehalten, ausschließlich ihr personenbezogenes beA nach § 46c Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ArbGG als sicheren Übermittlungsweg zu nutzen. Zwar ist ein Syndikusrechtsanwalt, der für einen Verband nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5, Satz 3 ArbGG erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber Verbandsmitgliedern erbringt (§ 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BRAO), nach § 46g Satz 1 ArbGG zur aktiven Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verpflichtet (BAG 23. Mai 2023 – 10 AZB 18/22 – Rn. 16 ff.). Jedoch ergibt sich aus § 46g Satz 1 ArbGG nicht, dass eine formgerechte Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs zwingend eine Nutzung des beA voraussetzt (vgl. BAG 23. Mai 2023 – 10 AZB 18/22 – Rn. 9). § 46g Satz 1 ArbGG besagt lediglich, dass vorbereitende Schriftsätze als elektronisches Dokument zu übermitteln sind. Eine Pflicht zur Nutzung des beA ergibt sich daraus nicht. Vielmehr eröffnet § 46c Abs. 4 ArbGG mehrere alternative Übermittlungswege. Aus § 31a Abs. 1 iVm. § 46c Abs. 5 BRAO folgt lediglich, dass ein Syndikusrechtsanwalt über ein beA verfügen muss. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass ausschließlich auf diesem Wege eine wirksame Übermittlung elektronischer Dokumente möglich ist (Natter/Bader NZA 2024, 165, 166 f.).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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