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10 AZR 242/23

Sozialkassen des Baugewerbes - tariflicher Verzugszinsanspruch - Geltung VTV im Zinszeitraum - gesetzlicher Verzugszinsanspruch - Streitgegenstand

Court Details

  • File Number

    10 AZR 242/23

  • ECLI Number

    ECLI:DE:BAG:2024:041224.U.10AZR242.23.0

  • Type

    Urteil

  • Date

    04.12.2024

  • Senate

    10. Senat

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Juli 2023 – 10 Sa 1629/22 SK – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen auf Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.

2

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Der Kläger verlangt von dem nicht originär tarifgebundenen Beklagten zuletzt die Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 3.970,40 Euro für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2018 für Beiträge betreffend die Monate Dezember 2008 bis Juni 2010.

3

In einem Vorprozess wurde der Beklagte durch Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Juni 2019 (- 10 Sa 7/19 SK -) rechtskräftig verurteilt, für die Monate Dezember 2008 bis Juni 2010 Sozialkassenbeiträge in Höhe von 76.389,44 Euro an den Kläger zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht nahm dabei an, der Beklagte sei Arbeitgeber bulgarischer Staatsangehöriger gewesen, die in einem formal als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) organisierten Personenverbund baugewerbliche Leistungen ausgeführt hätten. Bereits zuvor war der Beklagte wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt vom Landgericht Mannheim mit Urteil vom 21. April 2015 zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden.

4

Das Sozialkassenkonto des Beklagten wurde zum 31. Dezember 2013 geschlossen, die – vermeintliche – GbR im Jahr 2014 im Gewerberegister gelöscht.

5

Mit Mahnantrag vom 17. Dezember 2021, eingegangen am 29. Dezember 2021, hat der Kläger unter Bezugnahme auf eine Verzugszinsrechnung einen Betrag in Höhe von 17.465,58 Euro geltend gemacht. Der Mahnbescheid ist am 18. Januar 2022 erlassen und dem Beklagten am 20. Januar 2022 zugestellt worden. Berechnet hat der Kläger die Zinsforderungen gemäß „§ 20 Abs. 1 VTV in der bis Ende 2018 geltenden Fassung“. Das ist der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 3. Mai 2013 idF vom 24. November 2015 (VTV 2015).

6

Zum Zeitpunkt des Entstehens der Hauptforderung galten der VTV vom 20. Dezember 1999 idF vom 5. Dezember 2007 (VTV 2007 II, Januar 2008 bis Dezember 2009) bzw. der VTV vom 18. Dezember 2009 (VTV 2009, Januar 2010 bis Dezember 2011).

7

Der Geltungsbereich ist im VTV 2007 II – ebenso wie in den nachfolgenden VTV – auszugsweise wie folgt geregelt:

        

„§ 1   

        

Geltungsbereich

        

(1) Räumlicher Geltungsbereich

        

Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

        

(2) Betrieblicher Geltungsbereich

        

Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

        

…       

        

(3) Persönlicher Geltungsbereich

        

Erfasst werden

        

1. gewerbliche Arbeitnehmer,

        

2. Angestellte, …“

8

Der VTV 2007 II bestimmt darüber hinaus ua.:

        

„§ 22 

        

Zahlung der Beiträge

        

(1) Der Sozialkassenbeitrag für gewerbliche Arbeitnehmer und der Beitrag für die Zusatzversorgung der Angestellten sind für jeden Abrechnungszeitraum spätestens bis zum 15. des folgenden Monats bei der Einzugsstelle einzuzahlen. …

        

§ 24   

        

Verzugszinsen

        

Ist der Arbeitgeber mit der Zahlung des Sozialkassenbeitrags oder des Beitrags für Angestellte in Verzug, so haben die ZVK-Bau, die ULAK, die UKB bzw. die SoKa Berlin Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe; diese sind an die Einzugsstelle zu zahlen.“

9

Der VTV 2009 sieht – ebenso wie der VTV vom 18. Dezember 2009 idF vom 21. Dezember 2011 (VTV 2011) und idF vom 17. Dezember 2012 (VTV 2012) – in den §§ 21 und 23 identische Regelungen vor. Abweichend hiervon bestimmen der VTV vom 3. Mai 2013 (VTV 2013 I), der VTV vom 3. Mai 2013 idF vom 3. Dezember 2013 (VTV 2013 II) und idF vom 10. Dezember 2014 (VTV 2014) ebenso wie der VTV 2015 jeweils in § 20 Folgendes:

        

„§ 20 

        

Verzug und Verzugszinsen

        

(1) Ist der Arbeitgeber mit der Zahlung des Sozialkassenbeitrages oder des Beitrages für Angestellte in Verzug, so hat die zuständige Kasse Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe von 1,0 v. H. der Beitragsforderung für jeden angefangenen Monat des Verzuges; diese sind an die Einzugsstelle zu zahlen.

        

(2) Bei Verzug nach Abs. 1 und nachträglicher Saldierung gemäß § 18 Abs. 2 berechnen sich die Verzugszinsen aus dem gesamten nicht rechtzeitig gezahlten Beitrag. § 389 BGB findet keine Anwendung.“

10

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte sei mangels Beitragszahlung verpflichtet, die geforderten Verzugszinsen auf Basis des VTV zu zahlen. Die geltend gemachten Zinsansprüche seien im Mahnantrag durch die Bezugnahme auf die übersandte Verzugszinsberechnung hinreichend individualisiert worden. Auch für Verzugszeiträume „nach Kontenschließung“ könnten Zinsen auf tariflicher Grundlage und in tariflicher Höhe verlangt werden. Die Verzugszinsansprüche knüpften unmittelbar an die Lage vor Kontenschließung, nicht aber an die fortbestehende Tarifunterworfenheit des Arbeitgebers an. Maßgeblich seien der Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsansprüche und die in diesem Zeitpunkt vorhandene tarifliche Regelung. Allgemein lasse die Änderung von Umständen, die einen höheren Zinssatz begründeten, dessen Höhe bei weiter andauerndem Verzug unberührt, wie etwa im Fall des § 288 Abs. 2 BGB, wenn der Schuldner nach Eintritt des Verzugs vom Unternehmer zum Verbraucher werde, oder des § 352 HGB aF bei Verlust der Kaufmannseigenschaft nach Abschluss des Handelsgeschäfts. Im Übrigen komme auch eine Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG analog in Betracht. Mindestens stünden dem Kläger Zinsen in gesetzlicher Höhe zu. Insoweit handle es sich um denselben Streitgegenstand, dem Klageanspruch liege ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde.

11

Der Kläger hat – nach teilweiser Klagerücknahme – zuletzt beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.970,40 Euro zu zahlen.

12

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, als Privatperson betreffe ihn der VTV nicht. Jedenfalls seien die geforderten Beträge verjährt. Seine „Firma“ habe er zum 31. Dezember 2013 nicht geschlossen. Er habe alle Arbeitnehmer – unter anderer Firmierung – weiterbeschäftigt, weshalb die kürzere Verjährungsfrist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV vom 28. September 2018 (VTV 2018) Anwendung finde. Im Übrigen sei die Zinsforderung falsch berechnet. Ihn treffe auch kein Verschulden, denn das Urteil des Landesarbeitsgerichts sei erst im Jahr 2019 gefällt worden.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagbegehren in gleichem Umfang wie zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die nur zum Teil zulässige Revision ist nicht begründet.

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I. Die Revision ist unzulässig, soweit der Kläger gesetzliche Verzugszinsen begehrt. Insoweit entspricht die Revisionsbegründung nicht den gesetzlichen Vorgaben.

16

1. Die Zulässigkeit der Revision setzt ua. voraus, dass sie ordnungsgemäß begründet ist. Dafür müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Revisionsführer muss darlegen, warum er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält. Allein die Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung ebenso wenig wie die Wiedergabe des bisherigen Vorbringens. Es reicht auch nicht aus, wenn der Revisionsführer die tatsächlichen und/oder rechtlichen Würdigungen des Berufungsgerichts lediglich mit formelhaften Wendungen rügt (BAG 16. Juni 2021 – 10 AZR 208/20 – Rn. 11 mwN). Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung beide Erwägungen angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (BAG 17. November 2021 – 4 AZR 77/21 – Rn. 13 mwN). Sind mehrere Ansprüche Gegenstand des angefochtenen Urteils, müssen die Revisionsgründe für jeden von ihnen dargelegt werden. Das ist – ausnahmsweise – nur dann nicht erforderlich, wenn das Bestehen eines Anspruchs unmittelbar von dem Bestehen eines anderen abhängt, der seinerseits mit der Revision in zulässiger Weise angegriffen wird (BGH 14. Dezember 1994 – VIII ZR 46/94 – zu A der Gründe, BGHZ 128, 156; vgl. auch BAG 21. Dezember 2022 – 7 AZR 489/21 – Rn. 67). Diese Grundsätze gelten auch bei quantitativ abgrenzbaren Teilen eines einheitlichen Streitgegenstandes (BGH 11. November 1999 – III ZR 98/99 – zu A der Gründe).

17

2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht, soweit der Kläger seinen Antrag auf die gesetzlichen Verzugszinsregelungen (§ 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB) stützt.

18

a) Anders als das Landesarbeitsgericht in seiner diesbezüglichen Hauptbegründung meint, ist vom Streitgegenstand, den der Kläger zur Entscheidung gestellt hat, auch der gesetzliche Zinsanspruch umfasst.

19

aa) Der Kläger hat zwar erstmalig in der Revision ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass ihm Verzugszinsansprüche auch nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB zustünden. Aus § 308 Abs. 1 ZPO ergibt sich aber die Verpflichtung des Gerichts zu prüfen, ob die Klage nicht insoweit (teilweise) begründet ist, als sie auf eine nicht ausdrücklich geltend gemachte Anspruchsgrundlage gestützt werden kann. Das setzt voraus, dass es sich nicht um ein „aliud“ – und insoweit um einen anderen Streitgegenstand – handelt. Ob das der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen und Ansprüchen sowie dem erkennbaren Begehren der klagenden Partei ab. Sie bestimmt den Streitgegenstand (BAG 14. September 2016 – 4 AZR 456/14 – Rn. 20 mwN). Nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff bestimmt sich der Gegenstand des Verfahrens durch den gestellten Antrag (Klageantrag) und dem ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund). Der Lebenssachverhalt umfasst das ganze, dem Klageantrag zugrunde liegende tatsächliche Geschehen, das bei natürlicher, vom Standpunkt der Parteien ausgehender Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehört oder gehört hätte (st. Rspr., zB BAG 20. März 2024 – 5 AZR 161/23 – Rn. 24 mwN).

20

bb) Hiervon ausgehend handelt es sich bei dem Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen im Zusammenhang mit einem vorrangig verfolgten Anspruch auf tarifliche Verzugszinsen nach dem VTV um einen einheitlichen Streitgegenstand. Wird ein tariflicher Zinsanspruch geltend gemacht, begehrt der Kläger typischerweise mindestens gesetzliche Zinsen, und der vorgetragene Lebenssachverhalt beinhaltet alle Tatbestandsvoraussetzungen auch für einen solchen Anspruch (vgl. zum Verhältnis gesetzlicher Mindestlohnanspruch – vertragliche Vergütung BAG 30. Januar 2019 – 5 AZR 43/18 – Rn. 19, BAGE 165, 205).

21

(1) Der Kläger hat von Beginn des Verfahrens an Zinsen wegen Verzugs mit Beitragsforderungen begehrt und zu den Umständen des Verzugs vorgetragen. Zinsen wegen Verzugs in der gesetzlich vorgesehenen Höhe stehen dem Gläubiger ebenfalls zu, sobald Verzug mit einer Geldschuld (vgl. §§ 288, 286 BGB) – hier die Beitragsforderungen – gegeben ist. Die Höhe von Verzugszinsen ist gesetzlich in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB festgelegt und für den Schuldner anhand der Hauptforderung hinreichend berechenbar. Es handelt sich um einen pauschalierten Mindestschaden (BAG 24. Juni 2021 – 5 AZR 385/20 – Rn. 34 mwN, BAGE 175, 182), mit dessen Geltendmachen jeder Schuldner üblicherweise zu rechnen hat. Somit konnte auch der Beklagte seine Verteidigung hierauf einstellen.

22

(2) Auch setzt der gesetzliche Verzugszinsanspruch nicht mehr voraus als der tarifliche Verzugszinsanspruch. Beide fordern den Verzug mit einer Geldschuld, im Fall des tariflichen Anspruchs darüberhinausgehend die Geltung des VTV und den Verzug mit einer Beitragsschuld nach dem VTV (vgl. zB § 20 VTV 2015). Auf Basis des für den tariflichen Verzugszinsanspruch vorgetragenen Sachverhalts kann auch über den gesetzlichen Verzugszinsanspruch entschieden werden. Es sind – anders als im umgekehrten Fall – keine weitergehenden Umstände darzulegen.

23

(3) Aus der Klagebegründung sind zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Kläger seine Forderung nicht auch auf die gesetzliche Anspruchsgrundlage für Zinsen stützen bzw. – soweit der gesetzliche Zinsanspruch im Streitzeitraum niedriger war – nicht mindestens diesen vom Beklagten erlangen wollte.

24

b) Das Landesarbeitsgericht hat in Bezug auf den gesetzlichen Verzugszinsanspruch vorrangig angenommen, es handle sich um einen anderen Streitgegenstand als bei den Verzugszinsen auf tariflicher Grundlage, der nicht anhängig sei. Es hat über diesen Anspruch aber – trotz einer etwas unklaren Ausdrucksweise – im Rahmen einer Hilfs- bzw. Alternativbegründung entschieden. Es nimmt insoweit an, dass sich am Ergebnis – nämlich der Zurückweisung der Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Arbeitsgerichts – nichts ändere, wenn man einen einheitlichen Streitgegenstand annähme. Es fehle nämlich – was näher ausgeführt wird – an einer hinreichend bestimmten Darlegung des gesetzlichen Verzugszinsanspruchs bis zum Ablauf des Kalenderjahres 2021. Deshalb wäre ein Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe der gesetzlichen Zinsen verjährt.

25

c) Mit dieser Argumentation des Landesarbeitsgerichts hat sich der Kläger nicht hinreichend auseinandergesetzt, so dass die Revision insoweit unzulässig ist. Der Kläger geht in seiner Revision zwar argumentativ auf die Frage ein, ob ein oder zwei Streitgegenstände gegeben sind und meint – zu Recht -, es liege ein einheitlicher Streitgegenstand vor. Die Revision des Klägers setzt sich aber nicht mit der weiteren – alternativen – Begründung des Landesarbeitsgerichts auseinander, wonach gesetzliche Zinsansprüche auch bei Annahme eines einheitlichen Streitgegenstands jedenfalls verjährt seien. Allein der Hinweis, das Gericht habe die Zinsen selbst berechnen können, genügt nicht. Es fehlt an einem Angriff gegen das Argument des Landesarbeitsgerichts, der Anspruch sei bis zum Ende des Kalenderjahres 2021 nicht hinreichend bestimmt dargelegt worden. Der Kläger führt auch nicht etwa aus, dass und warum eine solche Darlegung des Anspruchs bis Ende 2021 nicht erforderlich gewesen wäre.

26

II. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet. Der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitraum Januar bis Mai 2018 keinen Anspruch auf die Zahlung von tariflichen Verzugszinsen und zwar weder unmittelbar noch nachwirkend aus dem VTV 2007 II bzw. VTV 2009, den VTV 2011 und 2012, den VTV 2013 I, 2013 II und 2014 oder dem VTV 2015. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es für Ansprüche auf tarifliche Verzugszinsen nicht darauf an, welcher Tarifvertrag im Zeitpunkt der Entstehung des Hauptanspruchs galt, sondern auf den im Verzugszeitraum maßgeblichen Tarifvertrag. Im Anspruchszeitraum unterfiel der Beklagte jedoch nicht den VTV.

27

1. Grundsätzlich ist es den Tarifvertragsparteien unbenommen, einen eigenständigen tariflichen Verzugszinsanspruch festzulegen, der auch höher als der gesetzliche Verzugszinssatz sein darf. § 288 Abs. 1 BGB ist insoweit dispositiv (vgl. BAG 28. August 2019 – 10 AZR 549/18 – Rn. 41, BAGE 167, 361). Von dieser Dispositionsbefugnis haben die Tarifvertragsparteien der VTV Gebrauch gemacht. Dabei zeigt die Historie der tariflichen Verzugszinsregelungen, dass sie keine dauerhafte Festschreibung eines Verzugszinssatzes vorgenommen, sondern diesen unterschiedlich hoch ausgestaltet haben. So wird etwa in den VTV 2007 II und 2009 und den VTV 2011 und 2012 hinsichtlich der Höhe auf den gesetzlichen Verzugszinssatz verwiesen. In den VTV 2013 I, 2013 II, 2014 und 2015 ist hingegen jeweils ein Zinssatz in Höhe von 1,0 vH der Beitragsforderung für jeden angefangenen Monat des Verzugs festgelegt und im VTV 2018 nunmehr in Höhe von 0,9 vH der Beitragsforderung.

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2. Mit Blick auf zeitlich aufeinanderfolgende Tarifverträge gilt grundsätzlich das Ablösungsprinzip, dh. die neuen tariflichen Regelungen lösen die alten tariflichen Regelungen ab (st. Rspr., vgl. zB BAG 12. Juni 2024 – 4 AZR 202/23 – Rn. 37 mwN). Etwas anderes kann gelten, wenn die Tarifvertragsparteien in Übergangsbestimmungen selbst abweichende Regelungen treffen, wie beispielsweise im Hinblick auf die Verfallfristen in § 21 Abs. 1 Satz 2 VTV 2018 erfolgt (vgl. dazu BAG 12. Oktober 2022 – 10 AZR 341/20 – Rn. 44). Mit der Ablösung des Tarifvertrags endet nach § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG auch dessen Allgemeinverbindlichkeit (vgl. BAG 8. November 2006 – 4 AZR 590/05 – Rn. 27, BAGE 120, 84; 17. Januar 2006 – 9 AZR 41/05 – Rn. 20, BAGE 116, 366). Gleiches gilt nach den Bestimmungen des SokaSiG; auch insoweit war die Rechtsnormerstreckung auf die Zeit bis zur Beendigung des jeweiligen Tarifvertrags begrenzt (BAG 12. Oktober 2022 – 10 AZR 341/20 – Rn. 47).

29

3. Mit der Regelung über den betrieblichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags wird nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG eine Voraussetzung für dessen normative Wirkung festgelegt (vgl. BAG 23. Januar 2019 – 4 AZR 445/17 – Rn. 24 ff., BAGE 165, 100; zum persönlichen Geltungsbereich als Anspruchsvoraussetzung BAG 15. April 2015 – 4 AZR 796/13 – Rn. 26, BAGE 151, 235). Im Fall nicht tarifgebundener Arbeitgeber erfolgt eine Erstreckung im Weg der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE), die mit Einschränkungen versehen sein kann. Fällt ein Arbeitgeber nicht unter den originären bzw. ggf. durch AVE eingeschränkt erstreckten betrieblichen Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge, gelten diese nicht und Ansprüche aus diesen können nicht entstehen. Gleiches gilt, wenn ein Betrieb aus dem betrieblichen Geltungsbereich der VTV durch Änderung der Tätigkeit herauswächst (vgl. zB BAG 18. September 2024 – 10 AZR 162/23 -) oder der Betrieb aufgegeben wird; ab diesem Zeitpunkt können tarifliche Ansprüche grundsätzlich nicht mehr entstehen (vgl. BAG 25. Oktober 1994 – 9 AZR 66/91 – zu I 2 a der Gründe, BAGE 78, 155). Jedenfalls für den Außenseiterarbeitgeber, der vorher kraft AVE (oder aufgrund des SokaSiG) an den Sozialkassentarifvertrag gebunden war, enden dann die laufenden Rechtsbeziehungen zur gemeinsamen Einrichtung. Eine Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG oder eine Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) findet nach der Rechtsprechung des Dritten und des Neunten Senats, der sich der erkennende Senat anschließt, in einem solchen Fall nicht statt; auch eine analoge Anwendung dieser Normen scheidet aus (vgl. BAG 9. November 1999 – 3 AZR 690/98 – zu B I 3 der Gründe; 25. Oktober 1994 – 9 AZR 66/91 – zu I 2 der Gründe, aaO; 14. Juni 1994 – 9 AZR 89/93 – zu III 1 d der Gründe, BAGE 77, 70; 5. Oktober 1993 – 3 AZR 586/92 – zu I 2 c der Gründe mwN).

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4. Dem Kläger steht nach diesen Grundsätzen kein Anspruch auf einen tariflichen Verzugszins zu.

31

a) Ein solcher ergibt sich nicht aus § 24 VTV 2007 II bzw. § 23 VTV 2009. Die Normen sehen vor, dass im Fall des Zahlungsverzugs mit Sozialkassenbeiträgen die zuständige Kasse Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe hat. Die der Zinsforderung zugrunde liegenden, rechtskräftig ausgeurteilten Beitragsforderungen stammen auch aus der Zeit von Dezember 2008 bis Juni 2010. In diesem Zeitraum galten der VTV 2007 II (§ 7 Abs. 8 iVm. der Anlage 33 SokaSiG) bzw. der VTV 2009 (§ 7 Abs. 7 iVm. der Anlage 32 SokaSiG). Das führt aber nicht dazu, dass sich die Verzugszinsansprüche auf die rückständigen Beitragsforderungen statisch und dauerhaft nach § 24 VTV 2007 II bzw. § 23 VTV 2009 richten. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsforderung, sondern der Zeitpunkt der Entstehung der Verzugszinsforderung und somit der Verzugszinszeitraum, hier Januar bis Mai 2018 (vgl. bereits BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 322/17 – Rn. 30). Für diesen Zeitraum bedurfte es einer Anspruchsgrundlage für die Zinsforderung. Als solche können weder der VTV 2007 II noch der VTV 2009 herangezogen werden, da diese nicht mehr galten, sondern der VTV 2007 II durch den VTV 2009 und dieser durch den VTV 2011 (§ 7 Abs. 6 iVm. der Anlage 31 SokaSiG) zum 1. Januar 2012 abgelöst worden war.

32

aa) Im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsforderungen (Dezember 2008 bis Juni 2010) unterfiel der Beklagte dem räumlichen und seine Arbeitnehmer dem persönlichen Geltungsbereich des VTV 2007 II bzw. 2009 (jeweils § 1 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1). Auch der betriebliche Geltungsbereich (§ 1 Abs. 2 VTV 2007 II bzw. 2009) war eröffnet. In dem Vorprozess der Parteien vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht über die Beitragspflicht des Beklagten (- 10 Sa 7/19 SK -) ist dies für den Zeitraum Dezember 2008 bis Juni 2010 angenommen worden. Zwar handelte es sich hierbei im Vorprozess nur um eine Vorfrage, so dass keine entsprechende Feststellung in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. BAG 3. Juli 2019 – 10 AZR 499/17 – Rn. 44 mwN, BAGE 167, 196). Für den hiesigen Rechtsstreit kann allerdings ebenfalls von der Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs ausgegangen werden. Der Kläger hat unter Verweis auf den Vorprozess behauptet, dass der Beklagte bis Ende 2013 einen Baubetrieb geführt habe. Zudem ist unstreitig, dass damals baugewerbliche Leistungen ausgeführt worden waren. Der Beklagte hat die Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs ebenfalls nicht bestritten, sondern nur gemeint, er als „Privatperson“ könne nicht in Anspruch genommen werden.

33

bb) Der Beklagte befand sich im Anspruchszeitraum auch in Verzug mit der Beitragsschuld.

34

(1) Der Beklagte schuldet dem Kläger Sozialkassenbeiträge für den Zeitraum Dezember 2008 bis Juni 2010. Diese Ansprüche sind dem Kläger rechtskräftig in Höhe von 76.389,44 Euro zugesprochen worden (Hessisches Landesarbeitsgericht 14. Juni 2019 – 10 Sa 7/19 SK -). Damit ist eine Beitragsschuld präjudizierend festgestellt (vgl. BAG 3. Juli 2019 – 10 AZR 499/17 – Rn. 50 mwN, BAGE 167, 196).

35

(2) Der Beklagte war mit der Beitragszahlung im Anspruchszeitraum – 1. Januar bis 31. Mai 2018 – schuldhaft in Verzug, was nach § 286 BGB zu beurteilen ist (BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 322/17 – Rn. 17 mwN).

36

(a) Die vorliegend relevanten Beiträge für die Monate Dezember 2008 bis Juni 2010 wurden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 VTV 2007 II bzw. nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV 2009 jeweils am 15. des Folgemonats fällig. Damit liegt eine kalendermäßige Bestimmung des Termins für die Leistung vor. Eine Mahnung war nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich. Verzug trat jeweils ab dem Folgetag der Fälligkeit ein (vgl. BAG 3. Juli 2019 – 10 AZR 499/17 – Rn. 58 mwN, BAGE 167, 196).

37

(b) Der Beklagte unterließ schuldhaft, die fälligen Beiträge zu leisten. Insbesondere ist ein Verschulden nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte annehmen durfte, nicht zur Leistung von Beiträgen verpflichtet zu sein, solange er nicht rechtskräftig verurteilt war.

38

(aa) An einen unverschuldeten Rechtsirrtum sind strenge Anforderungen zu stellen. Ein Rechtsirrtum ist nur dann entschuldigt, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Der Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten (BAG 3. Juli 2019 – 10 AZR 499/17 – Rn. 63 mwN, BAGE 167, 196). Ein normales Prozessrisiko entlastet ihn nicht (vgl. BAG 24. Juni 2021 – 5 AZR 385/20 – Rn. 21 mwN, BAGE 175, 182).

39

(bb) Hiernach liegt kein entschuldbarer Rechtsirrtum vor. Der Beklagte konnte und durfte im Verzugszeitraum nicht davon ausgehen, nicht der Beitragspflicht der Sozialkassen des Baugewerbes zu unterliegen, auch wenn das Landesarbeitsgericht erst am 14. Juni 2019 (- 10 Sa 7/19 SK -) – nachfolgend rechtskräftig – entschieden hat, dass der Beklagte unter den Geltungsbereich des VTV fiel und Sozialkassenbeiträge abzuführen hatte. Er durfte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht darauf vertrauen, dass die Gerichte seine Auffassung teilen würden, die von ihm gewählte „GbR-Konstruktion“ würde ein Unterfallen unter den Geltungsbereich mangels Arbeitgeberstellung seiner Person verhindern.

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cc) Ein Anspruch aus dem VTV 2007 II bzw. 2009 setzt allerdings auch voraus, dass diese Tarifverträge im Anspruchszeitraum noch galten. Denn maßgeblich für den Anspruch auf Verzugszinsen ist nicht der Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsforderungen, auf die Zinsen begehrt werden, sondern der Zeitraum der Entstehung des Verzugs, für den Zinsen begehrt werden (vgl. bereits BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 322/17 – Rn. 30). Für diesen Zeitraum bedarf es einer Anspruchsgrundlage.

41

(1) Zinsen sind zwar akzessorisch zur Hauptforderung (vgl. BAG 18. Januar 2000 – 9 AZR 122/95 (B) – zu III 1 a der Gründe, BAGE 93, 168). Hierauf besteht so lange ein Anspruch, wie die Hauptforderung – hier die Beitragsschuld – noch besteht. Der tarifliche Anspruch auf Verzugszinsen hat aber eigene Tatbestandsvoraussetzungen (schuldhafte Nichtleistung der Beitragsforderung trotz Fälligkeit, § 24 VTV 2007 II bzw. § 23 VTV 2009). Er entsteht nicht bereits mit der dem Verzugszinsanspruch zugrunde liegenden Hauptforderung, sondern erst, wenn sämtliche Voraussetzungen des Verzugstatbestands erfüllt sind. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Tarifnorm, der an den gesetzlichen Begriff des Verzugs (§ 286 BGB) anknüpft. Mit dem Verzug liegt ein Dauertatbestand vor, der erst endet, wenn die Hauptforderung erfüllt ist. Mit jedem weiteren Tag der Nichtleistung verlängert sich der Zeitraum, für den Zinsen wegen Verzugs mit der Erfüllung der Beitragsschuld gefordert werden können. Denn das verzugsauslösende Moment ist das Unterlassen der Schuldbegleichung, hier der Beitragszahlung. In Abhängigkeit hierzu entsteht der Verzug täglich neu, Verzugszinsansprüche wachsen sukzessive weiter an. Die Zinsansprüche für den streitgegenständlichen Zeitraum (Januar bis Mai 2018) sind danach erst im Jahr 2018 entstanden und nicht bereits mit Fälligkeit der Beitragsschuld.

42

(2) Im Jahr 2018 waren der VTV 2007 II bzw. 2009 – wie dargelegt (Rn. 31) – durch nachfolgende Sozialkassentarifverträge abgelöst worden und galten nicht mehr. Damit kann der Kläger hieraus keine tariflichen Ansprüche für den Anspruchszeitraum mehr herleiten. Die ablösenden Tarifverträge enthalten auch keine (Übergangs-)Bestimmungen, die eine Fortgeltung der Zinsbestimmungen aus diesen VTV anordnen würden.

43

(3) Soweit der Kläger unter Verweis auf § 288 Abs. 2 BGB und § 352 HGB aF meint, dass nach allgemeinen Grundsätzen die Änderung von Umständen, die einen höheren Verzugszinssatz begründeten, dessen Höhe bei weiter andauerndem Verzug unberührt lasse, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Sowohl beim Verlust der Kaufmannseigenschaft nach Abschluss des Handelsgeschäfts (§ 352 HGB aF; vgl. dazu zB Oetker/Pamp HGB 8. Aufl. § 352 Rn. 9; Heymann HGB 2. Aufl. § 352 Rn. 15) als auch in dem Fall, dass der Schuldner nach Eintritt des Verzugs vom Unternehmer zum Verbraucher wird (§ 288 Abs. 2 BGB), ist die Rechtslage nicht mit der vorliegenden vergleichbar. Beide Normen knüpfen an eine Eigenschaft zum Zeitpunkt des der Zinsforderung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts an und bestimmen für diesen Fall einen höheren Zinssatz. Der Charakter eines Rechtsgeschäfts ändert sich nicht dadurch, dass ein Vertragspartner später die Kaufmannseigenschaft verliert oder Verbraucher wird und nicht mehr Unternehmer ist. Ein Zinsanspruch nach diesen Normen kann aber in einem späteren Verzugszeitraum ebenfalls nur bestehen, solange die Norm gilt bzw. entsprechende Übergangsregelungen dies anordnen (vgl. zB zur Änderung der gesetzlichen Zinsbestimmungen Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3, § 5 Satz 1 EGBGB; vgl. dazu auch BAG 25. April 2007 – 10 AZR 195/06 – Rn. 11 f., BAGE 122, 168).

44

b) Ebenso wenig kann sich ein Zinsanspruch aus § 23 VTV 2011 ergeben. Dieser Tarifvertrag ist mit Wirkung zum 1. Januar 2013 durch den VTV 2012 (§ 7 Abs. 5 iVm. der Anlage 30 SokaSiG) abgelöst worden, ohne dass dort hinsichtlich des Zinsanspruchs Übergangsbestimmungen enthalten waren. Gleiches gilt hinsichtlich des Zinsanspruchs aus § 23 VTV 2012, der mit Wirkung zum 1. Juli 2013 durch den VTV 2013 I (§ 7 Abs. 4 iVm. der Anlage 29 SokaSiG) abgelöst wurde.

45

c) Kein unmittelbarer oder nachwirkender Anspruch auf die tariflichen Verzugszinsen für den Streitzeitraum kann sich auch aus Normen des VTV 2013 I ergeben.

46

aa) § 20 VTV 2013 I sieht einen Anspruch auf tarifliche Verzugszinsen in Höhe von einem Prozent pro Monat vor. Für den VTV 2013 I gilt allerdings ebenfalls, dass dieser im Anspruchszeitraum der Verzugszinsen (Januar bis Mai 2018) bereits abgelöst war und zwar mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 durch den VTV 2013 II (§ 7 Abs. 3 iVm. der Anlage 28 SokaSiG).

47

bb) An diesem Ergebnis ändert der Umstand, dass der Beklagte dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV 2013 I nur bis zum 31. Dezember 2013 unterfiel und von dem ablösenden VTV 2013 II wegen Aufgabe des Betriebs nicht mehr erfasst war, nichts. Hieraus ergibt sich – entgegen der Auffassung des Klägers – keine „Fortwirkung“ der Zinsregelung in § 20 VTV 2013 I.

48

(1) Dass der Beklagte im Kalenderjahr 2014 noch einen Baubetrieb unterhielt und damit dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV 2013 II unterfiel, hat der hierfür darlegungs- und beweisbelastete Kläger (st. Rspr., zB BAG 16. November 2022 – 10 AZR 458/21 – Rn. 22 mwN) nicht behauptet. Vielmehr hat er vorgetragen, dass das Sozialkassenkonto des Beklagten bereits zum 31. Dezember 2013 geschlossen worden war und eine Abmeldung im Gewerberegister im Jahr 2014 erfolgt sei. Den – sowieso unkonkreten – Vortrag des Beklagten, er habe „die Firma“ – unter anderem Namen – fortgeführt, hat der Kläger sich nicht zu eigen gemacht.

49

(2) Unterfiel der Beklagte ab dem 1. Januar 2014 wegen Betriebsaufgabe nicht mehr dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV, können ab diesem Zeitpunkt tarifliche Ansprüche gegen ihn oder von ihm gegen die Sozialkassen grundsätzlich nicht mehr entstehen. Eine Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG oder eine Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) findet in einem solchen Fall nicht statt; auch eine analoge Anwendung dieser Normen scheidet aus (Rn. 29). Zu den tariflich geregelten Ansprüchen, für die der Geltungsbereich eröffnet sein muss, gehört auch der Anspruch auf die tariflichen Zinsen nach § 20 Abs. 1 VTV 2013 I (vgl. BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 322/17 – Rn. 30 f.; 25. April 2007 – 10 AZR 195/06 – Rn. 13, 15, BAGE 122, 168). Für die vom Kläger erwogene Annahme einer isolierten Fortwirkung gerade der Zinsbestimmung eines VTV gibt es keine Grundlage.

50

d) Ein Zinsanspruch im Streitzeitraum aus dem VTV 2013 II scheitert sowohl daran, dass dieser mit Wirkung zum 1. Januar 2015 durch den VTV 2014 abgelöst worden ist, als auch daran, dass der Beklagte seit dem 1. Januar 2014 nicht mehr dem betrieblichen Geltungsbereich der VTV unterfiel. Gleiches gilt hinsichtlich des VTV 2014, der mit Wirkung zum 1. Januar 2016 durch den VTV 2015 abgelöst worden ist.

51

e) Der Kläger hat schließlich – wovon das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen ist – auch keinen Anspruch auf die begehrten Zinsen nach § 20 Abs. 1 VTV 2015, der im streitigen Verzugszeitraum für allgemeinverbindlich erklärt war (AVE vom 4. Mai 2016, BAnz. AT 9. Mai 2016 B4). Die Pflicht des Arbeitgebers zur Zinszahlung in der vom Kläger geltend gemachten tariflich festgelegten Höhe von 1,0 vH der Beitragsforderung für jeden angefangenen Monat des Verzugs folgt zwar grundsätzlich aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. I bis V iVm. § 20 Abs. 1 VTV 2015 (vgl. BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 322/17 – Rn. 12 ff.). Voraussetzung ist aber die Tarifgeltung für den säumigen Arbeitgeber, insbesondere also auch das Unterfallen unter dessen betrieblichen Geltungsbereich (§ 1 Abs. 2 VTV 2015). Hieran fehlt es – wie dargelegt – bereits seit dem 1. Januar 2014.

52

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    W. Reinfelder    

        

    Nowak    

        

    Günther-Gräff    

        

        

        

    Salzburger    

        

    Rinck