Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 26. Februar 2021 – 7 Sa 940/20 – aufgehoben und aus Gründen der Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 19. August 2020 – 34 Ca 745/18 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Bruttobetrag in Höhe von 12.313,35 Euro zu zahlen und hierauf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2018 zu entrichten.
2. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2013 bis 2017 in Anspruch.
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Die Klägerin war bei der Beklagten vom 2. Januar 2012 bis zum 31. August 2017 als Bürokauffrau mit einem Bruttomonatsgehalt iHv. 2.300,00 Euro beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 18. August 2011 enthält auszugsweise folgende Regelungen:
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„§ 4 Urlaub |
Der Jahresurlaub beträgt 28 Arbeitstage (auf der Basis einer regelmäßigen 5-Tage-Woche). In dem Kalenderjahr, in dem das Arbeitsverhältnis beginnt oder endet, hat der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubes. |
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… |
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§ 10 Ausschlussfrist |
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1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. |
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2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder sie erklärt sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“ |
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Nach der Geburt ihres ersten Kindes nahm die Klägerin vom 4. April 2013 bis zum 18. Juni 2014 Elternzeit in Anspruch. Im unmittelbaren Anschluss an die Schutzfristen vor und nach der Geburt ihres zweiten Kindes befand sich die Klägerin vom 13. Oktober 2014 bis zum 17. August 2017 erneut in Elternzeit.
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Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 3. August 2017 zum 31. August 2017. Die Beklagte gewährte ihr für den Zeitraum vom 18. bis zum 31. August 2017 antragsgemäß zehn Arbeitstage Urlaub. Mit E-Mail vom 25. Oktober 2017 forderte die Klägerin die Beklagte vorgerichtlich erfolglos auf, 14 Tage Urlaub aus den Jahren 2013 und 2014 abzugelten.
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Mit ihrer der Beklagten am 1. Februar 2018 zugestellten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Beklagte sei gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG verpflichtet, insgesamt 130 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2013 bis 2017 abzugelten.
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Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.313,35 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2017 zu zahlen. |
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Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der Abgeltungsanspruch sei gemäß § 10 des Arbeitsvertrags verfallen, da die Klägerin ihn nicht binnen der dort bestimmten Frist geltend gemacht habe. Im Übrigen hat sie behauptet, mit Schreiben vom 21. Oktober 2013 der Klägerin gegenüber die Kürzung auf die Elternzeiten entfallenden Urlaubs erklärt zu haben.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Abgeltung von jeweils sieben Arbeitstagen Urlaub aus den Jahren 2013 und 2014 mit einem Bruttobetrag iHv. insgesamt 1.486,15 Euro nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin Zahlung des geltend gemachten Abgeltungsbetrags, soweit das Arbeitsgericht der Klage nicht entsprochen hat.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist weitestgehend begründet. Lediglich im Hinblick auf den Beginn des Zinslaufs ist die Revision unbegründet.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht vollumfänglich zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG einen Anspruch auf Abgeltung weiterer 116 Arbeitstage Urlaub mit einem Bruttobetrag iHv. 12.313,35 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2018. Die weitergehende Zinsforderung ist unbegründet.
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1. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung sei infolge der Ausschlussfristenregelung in § 10 Nr. 1 Arbeitsvertrag mit Wirkung zum 30. November 2017 verfallen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klausel ist wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot, die Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft zu erleichtern (§ 202 Abs. 1 BGB), gemäß § 134 BGB nichtig.
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a) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, bei § 10 Nr. 1 des Arbeitsvertrags handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Bereits das äußere Erscheinungsbild der formularmäßigen Vertragsgestaltung lässt auf Allgemeine Geschäftsbedingungen schließen. Zudem handelt es sich bei dem Arbeitsvertrag vom 18. August 2011 um einen Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (vgl. BAG 27. Juli 2021 – 9 AZR 376/20 – Rn. 41; 23. März 2021 – 3 AZR 99/20 – Rn. 26). Dass die Klägerin auf den Inhalt des Arbeitsvertrags Einfluss nehmen konnte (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), hat die Beklagte nicht vorgetragen.
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b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Ausschlussfristenregelung sei Bestandteil des die Parteien verbindenden Formulararbeitsvertrags geworden. § 10 Nr. 1 des Arbeitsvertrags ist nicht überraschend oder ungewöhnlich iSd. § 305c BGB. Die Regelung ist durch die im Fettdruck hervorgehobene Überschrift „Ausschlussfrist“ für den Vertragspartner deutlich erkennbar. Die Vereinbarung einer Ausschlussfrist entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben (vgl. BAG 22. Oktober 2019 – 9 AZR 532/18 – Rn. 13, BAGE 168, 186).
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c) Die Ausschlussfristenregelung bezieht sich ihrem Wortlaut nach auf „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen“, ohne bestimmte Ansprüche aus ihrem Anwendungsbereich auszunehmen (vgl. zu einem solchen Fall BAG 24. Mai 2022 – 9 AZR 461/21 -). Infolge dieser weitgefassten Formulierung unterfallen der Klausel alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (vgl. BAG 22. Oktober 2019 – 9 AZR 532/18 – Rn. 13, BAGE 168, 186).
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aa) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der damit erfasste Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung als reiner Geldanspruch Ausschlussfristen unterliegen kann. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene und für den Senat nach Art. 267 AEUV verbindliche Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG entgegen (vgl. BAG 22. Oktober 2019 – 9 AZR 532/18 – Rn. 10, BAGE 168, 186; 24. Mai 2022 – 9 AZR 461/21 – Rn. 9).
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bb) Zwar hat das Landesarbeitsgericht im Ausgangspunkt ohne Rechtsfehler erkannt, die weite Formulierung in § 10 Nr. 1 des Arbeitsvertrags erfasse auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung (ausführlich zur Auslegung einer ähnlichen Klausel BAG 26. November 2020 – 8 AZR 58/20 – Rn. 55 ff., BAGE 173, 67). Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ist die Ausschlussfristenregelung in § 10 Nr. 1 des Arbeitsvertrags aber unwirksam, weil sie entgegen § 202 Abs. 1 BGB die Haftung wegen Vorsatzes begrenzt. Sie kann deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden. An die Stelle der vertraglichen Ausschlussfrist treten unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen die gesetzlichen Bestimmungen (§ 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB).
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cc) Nach § 202 Abs. 1 BGB in der seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden Fassung kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Es handelt sich um eine Verbotsnorm iSv. § 134 BGB. Das Verbot des § 202 Abs. 1 BGB, das für alle Schadensersatzansprüche aus Delikt und Vertrag gilt, bezweckt in Ergänzung von § 276 Abs. 3 BGB einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. § 202 Abs. 1 BGB erfasst dabei nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. Infolge des gesetzlichen Verbots kann eine Haftung aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung nicht durch vertragliche Ausschlussfristen ausgeschlossen werden (vgl. BAG 9. März 2021 – 9 AZR 323/20 – Rn. 15; 26. November 2020 – 8 AZR 58/20 – Rn. 66). Der Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB hat die Gesamtunwirksamkeit von § 10 Nr. 1 Arbeitsvertrag zur Folge und führt zum ersatzlosen Wegfall der Klausel unter Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen (§ 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Die Regelung kann, weil sie nicht teilbar ist, auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten bleiben.
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(1) Verstößt eine als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte Ausschlussfristenregelung gegen § 202 Abs. 1 BGB, führt dies zur Gesamtunwirksamkeit einer – wie im Streitfall – nicht teilbaren Klausel. Die Rechtsfolgen von § 306 BGB kommen nicht nur zur Anwendung, wenn sich die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel aus den §§ 305 ff. BGB selbst ergibt, sondern auch dann, wenn sie gegen sonstige Verbote verstößt. § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz (vgl. BAG 9. März 2021 – 9 AZR 323/20 – Rn. 23; 26. November 2020 – 8 AZR 58/20 – Rn. 67).
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(2) Auch unter angemessener Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten kann die Ausschlussfristenklausel weder ganz noch teilweise aufrechterhalten bleiben.
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(a) Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB sind bei der Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Die angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten verlangt einen sachgerechten Ausgleich zwischen den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einerseits und den im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten andererseits (vgl. BAG 9. März 2021 – 9 AZR 323/20 – Rn. 28).
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(b) § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB bezieht sich auf die Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. § 202 Abs. 1 BGB verbietet – wie § 276 Abs. 3 BGB – die Beschränkungen der Haftung wegen vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung generell ohne Rücksicht darauf, auf welche Weise und auf wessen Initiative eine entsprechende Vereinbarung getroffen wird. Das Verbot ist umfassend. Niemand soll sich der Willkür des Vertragspartners aussetzen können. § 202 Abs. 1 BGB entzieht Ansprüche des Gläubigers wegen vorsätzlichen Verhaltens generell der Dispositionsbefugnis der Parteien. Eine Wirksamkeitskontrolle nach den Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen und die Anwendung von § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB kann deshalb nicht dazu führen, einer nach § 202 Abs. 1 BGB unwirksamen Vereinbarung Geltung zu verschaffen (vgl. BAG 9. März 2021 – 9 AZR 323/20 – Rn. 29).
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(3) Eine geltungserhaltende Reduktion, mit der eine einheitliche und damit auch einer einheitlichen AGB-Kontrolle unterliegende Klausel durch das Gericht in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil getrennt und in ihrem rechtlich nicht zu beanstandenden Teil aufrechterhalten wird, ist im Rechtsfolgensystem des § 306 BGB nicht vorgesehen. Unwirksame Klauseln sind grundsätzlich nicht auf einen mit den gesetzlichen Bestimmungen zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen. Eine geltungserhaltende Reduktion wäre mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB, den Rechtsverkehr von unwirksamen Klauseln freizuhalten und auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis anzuwendenden Geschäftsbedingungen hinzuwirken, nicht vereinbar (st. Rspr., BAG 16. Dezember 2014 – 9 AZR 295/13 – Rn. 20, BAGE 150, 207; 13. Dezember 2011 – 3 AZR 791/09 – Rn. 30 mwN; BGH 22. September 2015 – II ZR 341/14 – Rn. 20).
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(4) Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. hierzu im Einzelnen BAG 24. September 2019 – 9 AZR 273/18 – Rn. 27 ff., BAGE 168, 54) sind nicht gegeben. Dem mit einer Ausschlussfrist verfolgten Zweck, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu erreichen, wird durch die gesetzlichen Verjährungsfristen hinreichend Rechnung getragen. Die Beklagte hat zudem kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der Ausschlussfrist mit einem zulässigen Inhalt. Sie hatte es als Klauselverwenderin in der Hand, eine Ausschlussfristenregelung zu formulieren, die den Beschränkungen von § 202 Abs. 1 BGB gerecht wird.
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(5) Soweit die Beklagte für sich Vertrauensschutz in Anspruch nimmt, rechtfertigt dies kein abweichendes Ergebnis.
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(a) Es verstößt als solches nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG, eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben. Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine vergleichbare Rechtsbindung. Die über den Einzelfall hinausreichende Wirkung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht nur auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Ein Gericht kann deshalb von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichen, auch wenn keine wesentlichen Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen eintreten. Es muss jedoch den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes beachten und ihm erforderlichenfalls durch Billigkeitserwägungen Rechnung tragen. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist grundsätzlich unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (BAG 19. Juni 2012 – 9 AZR 652/10 – Rn. 27, BAGE 142, 64). Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Arbeitgeber – wie im Streitfall die Beklagte – eines Vertrauensschutzes nicht bedarf, da er als Klauselverwender für ihn ungünstige Auslegungsvarianten von vornherein durch eine hinreichend deutliche, den rechtlichen Anforderungen jedenfalls genügende Fassung des Vertragstextes ausschließen kann.
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(b) Danach erscheint das Vertrauen der Beklagten in eine bestimmte Auslegung von § 10 Abs. 1 Arbeitsvertrag nicht schutzwürdig.
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(aa) Instanzgerichte (vgl. LAG Hamm 9. September 2014 – 14 Sa 389/13 – Rn. 50) wie auch Teile des arbeitsrechtlichen Schrifttums (vgl. Preis/Roloff RdA 2005, 144, 147; Mohr SAE 2006, 167 f.; ähnlich Matthiessen NZA 2007, 361) kritisierten eine den Klauselwortlaut einschränkende Auslegung, wie sie der Achte Senat in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung (BAG 20. Juni 2013 – 8 AZR 280/12 – Rn. 21) ursprünglich vorgenommen hat. Gerichtliche Entscheidungen, denen zufolge Ausschlussfristenregelungen wie die vorliegende gegen § 202 Abs. 1 BGB verstießen und deshalb nichtig seien, datieren bereits aus der Zeit vor dem Abschluss des Arbeitsvertrags der Parteien vom 18. August 2011 (vgl. LAG Hamm 21. April 2010 – 18 Sa 1198/09 – Rn. 38). Die aufgrund dieses Diskussionsstands unsichere Rechtslage nahmen Stimmen aus der Literatur zum Anlass, der arbeitsvertraglichen Praxis anzuraten, Ansprüche wegen Vorsatzes ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich von Ausschlussklauseln auszunehmen (vgl. Mohr SAE 2006, 167 f.).
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(bb) Die Beklagte als Verwenderin hätte die Klausel unter Beachtung dieser rechtlichen Bedenken unmissverständlich gesetzeskonform fassen können. Sie hätte statt der Formulierung „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen“ im selben Satz zum Ausdruck bringen können, dass „alle beiderseitigen Ansprüche mit Ausnahme solcher aus einer vorsätzlichen Handlung“ verfallen oder dies durch einen weiteren Satz (zB „Diese Regelung erfasst nicht Ansprüche der Parteien aus einer vorsätzlichen Handlung“) klarstellen können.
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2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als – zumindest teilweise – richtig (§ 561 ZPO).
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a) Die Klägerin hat in den Jahren 2013 bis 2017 jeweils zu Beginn des Jahres einen Urlaubsanspruch im Umfang von 28 Arbeitstagen erworben (§ 4 Satz 1 des Arbeitsvertrags). Weder der zweimalige Mutterschutz noch die zwei Elternzeiten, die die Klägerin in diesen Jahren in Anspruch nahm, hinderten das Entstehen von Urlaubsansprüchen im Umfang von insgesamt 140 Arbeitstagen (vgl. BAG 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13 – Rn. 11, BAGE 151, 360).
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b) Die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2013 bis 2017, deren Abgeltung die Klägerin begehrt, sind vor dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, nicht verfallen.
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aa) Das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG findet während der Elternzeit keine Anwendung. Die gesetzlichen Sonderregelungen in § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BEEG gehen den allgemeinen Befristungsregelungen in § 7 Abs. 3 BUrlG vor (vgl. BAG 19. März 2019 – 9 AZR 495/17 – Rn. 12, BAGE 166, 189). Der Urlaub muss weder nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG im laufenden Kalenderjahr noch nach § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BUrlG in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden.
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(1) Nach § 17 Abs. 1 BEEG kann der Arbeitgeber Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Die Bestimmung entkoppelt den grundsätzlich der Kürzung unterliegenden Urlaubsanspruch vom Urlaubsjahr und nimmt ihn somit von einem Verfall nach § 7 Abs. 3 BUrlG während der Elternzeit aus (vgl. BAG 19. März 2019 – 9 AZR 495/17 – Rn. 14 ff., BAGE 166, 189).
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(2) § 17 Abs. 2 BEEG trifft bezüglich der Erfüllung und des Verfalls des Urlaubs eine eigenständige, von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelung des Urlaubsjahrs (vgl. BAG 15. Dezember 2015 – 9 AZR 52/15 – BAGE 154, 1). Hat der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, hat der Arbeitgeber den Resturlaub gemäß § 17 Abs. 2 BEEG nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren. Damit regelt das Gesetz eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Diese Grundsätze gelten auch bei einer Mehrzahl von Mutterschutzfristen und Elternzeiten (vgl. BAG 19. März 2019 – 9 AZR 362/18 – Rn. 17).
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bb) Die Urlaubsansprüche bestanden wegen der nahtlos aneinander anschließenden Mutterschutzfristen und Elternzeiten nach dem Ende der zweiten Elternzeit fort. An die vom 1. Januar bis zum 3. April 2013 währende Mutterschutzfrist schloss sich unmittelbar eine Elternzeit der Klägerin bis zum 18. Juni 2014 an. Am nächsten Tag lief eine erneute Mutterschutzfrist, die am 12. Oktober 2014 endete. Die unmittelbar darauf folgende Elternzeit der Klägerin dauerte bis zum 17. August 2017. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien damit in demselben Jahr endete, in dem die Klägerin aus der zweiten Elternzeit zurückkehrte, kann der Senat im Streitfall offenlassen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG der Kürzung unterliegende und nicht bereits von § 17 Abs. 2 BEEG erfasste Urlaubsanspruch nach Beendigung der Elternzeit befristet ist.
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c) Die Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2013 bis 2017 sind nicht aufgrund einer Kürzungserklärung der Beklagten gemäß § 17 Abs. 1 BEEG teilweise untergegangen.
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aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Die in der Vorschrift vorgesehene Kürzungsmöglichkeit verstößt weder gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG noch gegen § 5 Nr. 2 der überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub vom 18. Juni 2009 im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU (vgl. ausführlich BAG 19. März 2019 – 9 AZR 362/18 – Rn. 19 ff. mwN).
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bb) Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub bei Zugang der Kürzungserklärung noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat (mit ausf. Begründung BAG 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13 – Rn. 10, 13 ff., BAGE 151, 360). Das Gesetz unterstellt allein den „Erholungsurlaub“ der Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers, nicht dagegen den Abgeltungsanspruch (BAG 19. März 2019 – 9 AZR 362/18 – Rn. 32).
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cc) Möchte der Arbeitgeber den Anspruch auf Erholungsurlaub kürzen, muss er sein Kürzungsrecht ausüben. Dazu ist eine hierauf gerichtete rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, die dem Arbeitnehmer zugehen muss (vgl. BAG 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13 – Rn. 12, BAGE 151, 360). Die Kürzungserklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Dazu ist es ausreichend, dass dem Arbeitnehmer – abweichend von seinem Urlaubsverlangen – nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder für ihn aufgrund sonstiger Umstände erkennbar ist, dass der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht ausüben will (vgl. zu § 17 Abs. 1 Satz 1 BErzGG BAG 28. Juli 1992 – 9 AZR 340/91 – zu 1 c der Gründe, BAGE 71, 50). Sowohl für die Abgabe als auch für den Zugang der Kürzungserklärung beim Arbeitnehmer trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.
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dd) An diesen Grundsätzen gemessen hat die Beklagte den der Klägerin zustehenden Urlaub, der auf die Zeiträume ihrer Elternzeiten entfällt, nicht wirksam gekürzt. Für ihre Behauptung, unter dem 21. Oktober 2013 der Klägerin gegenüber die Kürzung des Urlaubs erklärt zu haben, ist sie nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beweisfällig geblieben. Sollte die Beklagte die Kürzungserklärung erst im Laufe des Verfahrens abgegeben haben, wäre diese verspätet, da das Arbeitsverhältnis der Parteien infolge der Kündigung durch die Klägerin vom 3. August 2017 bereits zuvor mit Ablauf des 31. August 2017 geendet hat.
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d) Die in § 4 Arbeitsvertrag vorgesehene Quotelung des Urlaubsanspruchs in dem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis endet, lässt den Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2017, in dem sie aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausschied, unberührt. Die Klausel weicht zuungunsten des Arbeitnehmers von der gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG ab und ist deshalb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 iVm. § 3 Abs. 1 BUrlG unwirksam.
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aa) Nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG hat der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs, wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahrs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Abgesehen von den in § 13 Abs. 1 BUrlG genannten Ausnahmen kann von den Bestimmungen des BUrlG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.
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bb) Endet das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte, folgt im Umkehrschluss aus § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG, dass die Regelung über den Teilurlaub keine Anwendung findet (vgl. BAG 9. August 2016 – 9 AZR 51/16 – Rn. 16). Es verbleibt in diesem Fall, sofern nicht anderweitige Kürzungsregelungen eingreifen, beim ungekürzten Urlaubsanspruch (BAG 19. März 2019 – 9 AZR 495/17 – Rn. 27, BAGE 166, 189).
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cc) Die Regelung in § 4 Satz 2 Arbeitsvertrag weicht von der gesetzlichen Regelung zuungunsten der Arbeitnehmer ab.
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(1) Gemäß § 4 Satz 1 Arbeitsvertrag beträgt der Jahresurlaub eines Arbeitnehmers, der seine Arbeitsleistung – wie die Klägerin – an fünf Tagen in der Woche erbringt, 28 Arbeitstage. In Abweichung hiervon bestimmt § 4 Satz 2 Arbeitsvertrag, dass ein Arbeitnehmer in dem Kalenderjahr, in dem das Arbeitsverhältnis endet, für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs hat.
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(2) § 4 Satz 2 Arbeitsvertrag sieht die Zwölftelung des Urlaubsanspruchs auch in den Fällen vor, in denen der Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dies ergibt die Auslegung der Klausel (zu den für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen vgl. BAG 9. März 2021 – 9 AZR 323/20 – Rn. 17).
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(a) Während der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub arbeitsvertraglichen Dispositionen entzogen ist, die sich zuungunsten des Arbeitnehmers auswirken (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG), können die Arbeitsvertragsparteien Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit (vgl. dazu BAG 8. Mai 2018 – 9 AZR 531/17 – Rn. 58) schließt das Recht ein, das teilweise oder vollständige Erlöschen des arbeitsvertraglichen Mehrurlaubs für den Fall vorzusehen, dass der Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet (vgl. BAG 21. Mai 2019 – 9 AZR 579/16 – Rn. 63). Für einen Regelungswillen der Arbeitsvertragsparteien, dem zufolge allein der vertragliche Mehrurlaub abweichend von den für den gesetzlichen Mindesturlaub geltenden gesetzlichen Vorgaben berechnet werden soll, müssen allerdings deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem diesbezüglichen Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf den vertraglichen Mehrurlaub auszugehen (BAG 30. November 2021 – 9 AZR 225/21 – Rn. 38).
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(b) § 4 Satz 2 Arbeitsvertrag ordnet seinem Wortlaut nach eine Quotelung des „Jahresurlaubs“ an, der der Regelung in § 4 Satz 1 Arbeitsvertrag zufolge 28 Arbeitstage „auf der Basis einer regelmäßigen 5-Tage-Woche“ beträgt. Unter den Begriff des Jahresurlaubs fallen sowohl der gesetzliche Mindesturlaub als auch der arbeitsvertragliche Mehrurlaub. Auch die Regelungssystematik deutet darauf hin, dass die Arbeitsvertragsparteien den Urlaub ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund einheitlich regeln wollten. So fehlt eine – in anderen Verträgen anzutreffende – Klausel, die die gesetzlichen Urlaubsansprüche aus dem Anwendungsbereich der Quotelungsregelung ausnimmt (vgl. zu einer solchen Vertragsgestaltung im Tarifrecht BAG 9. August 2016 – 9 AZR 51/16 – Rn. 14).
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(3) Die Anwendung der Zwölftelungsregelung auf den Gesamturlaubsanspruch (siehe hierzu BAG 21. Mai 2019 – 9 AZR 579/16 – Rn. 64), der für Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung an fünf Tagen in der Woche erbringen, 28 Arbeitstage beträgt (§ 4 Satz 1 Arbeitsvertrag), führt dazu, dass Arbeitnehmern, die nach Erfüllung der Wartezeit (§ 4 BUrlG) im Juli oder August eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, ein geringerer Urlaubsanspruch zusteht, als ihn § 3 Abs. 1 BUrlG als Mindesturlaub garantiert. Während der gesetzliche Urlaub auch in diesen Fällen 20 Arbeitstage beträgt, sieht die Klausel in § 4 Satz 2 Arbeitsvertrag unter denselben Voraussetzungen eine für den Arbeitnehmer ungünstigere Regelung vor. Scheidet der Arbeitnehmer im Juli aus dem Arbeitsverhältnis aus, reduziert sich sein Urlaubsanspruch der Quotelungsregelung zufolge von ursprünglich 28 Arbeitstagen auf 16,33 Arbeitstage. Endet das Arbeitsverhältnis im August, beträgt der Urlaubsanspruch des ausscheidenden Arbeitnehmers 18,67 Arbeitstage.
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dd) Der Verstoß gegen den Grundsatz, dem zufolge der Urlaubsanspruch eines in der Fünf-Tage-Woche beschäftigten Arbeitnehmers, der in der zweiten Jahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, mindestens 20 Arbeitstage beträgt, hat die Nichtigkeit der Quotelungsvorschrift zur Folge. Die in § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG angeordnete Unabdingbarkeit des durch das BUrlG vermittelten Mindestschutzes erstreckt sich auch auf den – von der Klägerin im Streitfall geltend gemachten – Urlaubsabgeltungsanspruch iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG (BAG 20. Januar 2009 – 9 AZR 650/07 – Rn. 21). Eine geltungserhaltende Reduktion kommt aus den unter I 1 c cc (3) und (4) genannten Gründen ebenso wenig in Betracht wie eine ergänzende Vertragsauslegung.
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3. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat den Streitfall abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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a) Die 140 Arbeitstage umfassenden Urlaubsansprüche, die die Klägerin in den Jahren 2013 bis 2017 erwarb, sind infolge der Gewährung von Urlaub im Zeitraum vom 18. bis zum 31. August 2017 im Umfang von zehn Arbeitstagen erloschen (zur Tilgungsreihenfolge vgl. BAG 19. Januar 2016 – 9 AZR 507/14 – Rn. 10). Über die Abgeltung von 14 Arbeitstagen Urlaub hat das Arbeitsgericht mit Rechtskraft entschieden. Die verbleibenden 116 Arbeitstage hat die Beklagte mit einem Bruttobetrag iHv. 12.313,35 Euro abzugelten. Über die Höhe des der Klägerin je Urlaubstag zustehenden Abgeltungsbetrags besteht zwischen den Parteien kein Streit.
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b) Der Zinsanspruch iHv. fünf Prozentpunkten ab dem 2. Februar 2018 ist aufgrund der gesetzlichen Vorschriften über den Schuldnerverzug (§ 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) begründet. Der Verzug der Beklagten mit der Urlaubsabgeltung trat mit der Zustellung der Klageschrift am 1. Februar 2018 ein. Verzugszinsen schuldet sie ab dem Folgetag, dem 2. Februar 2018 (§ 187 Abs. 1 BGB).
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II. Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Soweit die Klägerin von der Beklagten verlangt, auf die Hauptforderung Zinsen für den Zeitraum vom 1. September 2017 bis zum 1. Februar 2018 zu zahlen, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Zinslauf begann nicht, wie die Klägerin geltend macht, am 1. September 2017, sondern erst am 2. Februar 2018, dem Tag nach Zustellung der Klageschrift. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung des ihm zustehenden Urlaubs entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird zu diesem Zeitpunkt fällig. § 7 Abs. 4 BUrlG enthält jedoch keine Bestimmung einer Leistungszeit iSd. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB (BAG 6. August 2013 – 9 AZR 956/11 – Rn. 22).
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III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Klägerin ist in allen Instanzen höchstens im Hinblick auf den Zinslauf und damit zu weniger als zehn vom Hundert unterlegen. Ihre Zuvielforderung war damit verhältnismäßig geringfügig iSd. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (vgl. BAG 23. September 2010 – 6 AZR 174/09 – Rn. 26).
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